Folge 90: Online-Demo

  • Lesedauer: 2 Min.

Als sich zu Zeiten der Loveparade dieses »Internet« in den Vordergrund zu spielen und sich alsbald herumzusprechen begann, dass »Online« nicht etwa eine weitere Neuerfindung des Rollschuhs beschrieb, erinnerte man sich plötzlich des Politvisionärs Udo Lindenberg. Dieser hatte schon zehn Jahre zuvor das Zeitalter des »Digitalspions« ausgerufen - mit »Commander Superfinger« und ein bisschen Tastenklappern in eine bessere Welt!

Und dann ging alles ganz schnell: Nachdem das Computernetz 1.0 zunächst vor allem als Umwelt und Nerven schonender Ort in Betracht gezogen wurde, Positionspapiere zu verklappen, Flugis anzupinnen oder sich gegenseitig Revisionismus vorzuwerfen, entstand um die Jahrtausendwende die Idee, das Netz selbst als Ort politischer Aktion zu nutzen: 1995 gab es einen ersten Versuch, angesichts französischer Atomtests die Internetpräsenz der Regierung in einem »virtuellen Sit-In« lahmzulegen, indem möglichst viele Nutzer die Seite immer wieder aufriefen. Dies sollte den Server derart überlasten, dass die Homepage abschmiert. 1998 attackierten Sympathisanten der Zapatisten mexikanische Banken - freilich mit einem Programm, das manuelles Klicken ersetzte.

In Deutschland machte 2001 eine »Online-Demo« gegen Abschiebungen durch die Lufthansa von sich reden, die die Webseite des Unternehmens für zwei Stunden ausbremste und kurzzeitig komplett zusammenbrechen ließ. Es folgten jahrelange Prozesse, in deren Ergebnis festgestellt wurde, dass solche Attacken durch Nachfrage nicht als Nötigung anzusehen seien; andererseits legte sich die Bundesregierung darauf fest, dass sich Online-Demos »mangels Körperlichkeit« nicht auf Versammlungsfreiheit berufen könnten. Schön, dass das geklärt wurde - wenn auch ein paar Jahre nach dem Aufkommen der »sozialen Medien«, deren Vernetzungsqualitäten mit »Flashmobs« und »Shitstorms« und »Facebook-Revolutionen« ganz andere Politformate zeitigten. vs

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