Daucus carota ersetzt Apotheke

Vor allem Senioren sollten der Gartenmöhre einen festen Platz auf dem Speiseplan geben

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 4 Min.
Möhren sind leicht verdaulich, besitzen zahlreiche Vitamine und fördern die Nährstoffaufnahme im Darm. Doch damit sind längst nicht alle ihre Vorteile aufgezählt.

Bis zu 60 Prozent aller pflegebedürftigen Senioren in Heimen und geriatrischen Abteilungen von Krankenhäusern, aber auch zu Hause lebende Hochbetagte weisen einen mangelhaften Ernährungsstatus auf. Meistens handelt es sich um einen generalisierten Mangel an lebensnotwendigen Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen. Daraus folgende Mangelerscheinungen wie Entzündungen der Zunge oder der Lippenschleimhaut können den Ernährungszustand in der Art eines Teufelskreises weiter verschlechtern.

Besonders in den Herbstmonaten könnte hier die zu den leicht verdaulichen Gemüsearten zählende Möhre Abhilfe schaffen, wenn sie häufiger in den Speiseplan einbezogen würde. Damit der Körper die in Möhrensaft oder -salat enthaltenen Vitamine aus der B-Gruppe sowie C, E, K und das für Karotten bekannte Provitamin A, das Beta-Carotin, gut verwerten kann, bedarf es jedoch einiger Voraussetzungen. Dazu gehört die Versorgung mit Protein. Die Leber benötigt es, um Carotin in das wirksame Vitamin A umzuwandeln und zu speichern. Eine gute Verdauung von Fett, das der Darm bekanntermaßen für die Carotin-Resorption braucht, ist ebenso eine wichtige Voraussetzung für die Nutzbarkeit der fettlöslichen Vitamine.

Die Gartenmöhre mit dem botanischen Namen Daucus carota sep. sativus reguliert dank ihrer ätherischen Öle die Ausschüttung von Magensaft und Gallensäure und sorgt auf diese Weise dafür, dass die vielfältigen Nährstoffe vom Darm aufgenommen werden können, die wiederum eine gesunde Gallenfunktion und eine intakte Magenschleimhaut gewährleisten. Der naturheilkundlich orientierte Arzt Ernst Schneider hat beobachtet, dass frisch gepresster Möhrensaft die Ausschüttung fehlender Magensäure anregt, während zu viel Magensäure durch Möhrensaft neutralisiert wird.

Unter allen Gemüsearten weist die Möhre den höchsten Gehalt an Beta-Carotin auf. Es ist für die beste Effizienz bei der Umwandlung in Vitamin A bekannt, dessen ausreichende Zufuhr nicht nur der Nachtblindheit, sondern auch einer Eintrübung der Hornhaut des Auges vorbeugt. Punktförmige Hautblutungen sowie Ödeme können auf einen Vitamin-A-Mangel hinweisen. Die Nasenschleimhaut arbeitet mit ausreichend Vitamin A besser, das daraus resultierende verbesserte Riechvermögen sorgt wiederum für einen guten Appetit. Wird die Rachenschleimhaut gut mit Vitamin A und Flüssigkeit versorgt, etwa frisch gepresstem Möhrensaft, kann einer fortwährenden Heiserkeit entgegen gewirkt werden.

Aber Möhren liefern auch die Vitamine B6, B3, Pantothensäure und in geringerem Umfang B1, B2 sowie Folsäure. Entzündungen der Zunge (Glossitis) und oder der Lippenschleimhaut (Cheilose) führt die Ernährungswissenschaftlerin Sabine Ellinger auf einen Mangel an diesen wasserlöslichen Vitaminen in Kombination mit einer Unterversorgung an Eiweiß zurück. Selbst Schmerzen in den Beinen, von Zuckungen bzw. Krämpfen oder sogar Lähmungen begleitet, können daher rühren, dass der Bedarf an Vitamin B6 nicht ausreichend gedeckt ist. Möhrengemüse, ganz besonders als Rohkost zubereitet, kann bei Muskelkrämpfen das Defizit an Vitamin B6 sowie den Mineralstoffen Calcium und Magnesium ganz wunderbar ausgleichen. Das ist einer dauerhaften Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln auf jeden Fall vorzuziehen. Die Mineralstoffe sowie die verschiedensten Spurenelemente verwertet der Organismus aus Rohkost besonders gut. Fein gerieben oder geraffelt sind Möhren für jeden Magen einen Versuch wert. Auch wenn sich der Appetit auf Süßes meldet, kommt das rote Gemüse ins Spiel. Eine süßsauer abgeschmeckte Möhrenspeise ist eine gute Alternative zu weißmehl- oder zuckerhaltigem Naschwerk, für dessen Verstoffwechslung ja genau die Mineralstoffe benötigt werden, die gar nicht darin enthalten sind.

Späte Möhrensorten, zu denen orangefarbene, hellere oder kräftig-orange bis violette Möhren gehören, werden möglichst lange bis in den Herbst hinein im Boden gelassen. Ohne Blätter und kühl gelagert, halten sie sich monatelang. Allerdings baut sich in spät geerntete Möhren mit zunehmender Lagerdauer zum Teil der enthaltene Zucker ab, so dass Gourmet-Köche das Gemüse nach dem Kochen mit etwas Butter und Honig glasieren. Bei einer Magen-Darm-Grippe können Möhren als Schonkost genossen werden. Dazu wird eine Möhre ganz fein gerieben und sofort verzehrt.

Mit einer Karottensuppe nach dem Kinderarzt Ernst Moro, bei der 500 Gramm Möhren gekocht, püriert und mit drei Gramm Salz angereichert werden, lässt sich ein Wasser- und Elektrolytverlust nach durchgemachtem Brechdurchfall schnell beheben. Bei einer akuten Magenverstimmung vermag nach einem Tag mit Kamillentee eine im Ganzen gekochte Möhre - mit einem Teelöffel Leinöl, etwas Leinsaat und einer Prise Salz bestreut - die Magenschleimhaut auf schmackhafte Weise wieder zu regenerieren.

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