nd-aktuell.de / 13.10.2015 / Kultur / Seite 37

Ein Mordsvergnügen

Siegfried Grundmann begab sich auf die Spur eines NS-Täters

Gerd Kaiser

Dies ist ein besonderes Buch. Sowohl auf Grund seines Themas als auch hinsichtlich der Art und Weise, wie hier ein Leben dokumentiert ist.


Siegfried Grundmann: Georg Frentzel. PG und Angehöriger der SS- Einsatzgruppe B in der UdSSR.[1]
Nora-Verlag. 161 S., br., 14,90 €.


Siegfried Grundmann begab sich auf die Spur von Georg Frentzel, der nach der Befreiung vom Faschismus über anderthalb Jahrzehnte seine Beteiligung an NS-Verbrechen verheimlichte. Der schließlich gestellte Täter gab Selbstauskunft auf über 500 Seiten. Insgesamt 33 Akten mit schriftlichen und fotografischen Zeugnissen, die im Bundesarchiv und im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR lagern, belegen sein massenmörderisches Unwesen vor allem im deutsch besetzten Polen und in der UdSSR.

Seit 1935 Mitglied der Nazipartei und seit 1938 Angehöriger der Gestapo war er nicht nur in seinem erlernten Beruf als Kraftfahrer dem Hitlerregime dienlich, er exekutierte auch eigenhändig dessen menschenverachtende Politik. In der Einsatzgruppe B/Einsatzkommando 8 sekundierte er seinem Chef Dr. Otto Bradfisch (der in der Bundesrepublik nach kurzer Haft wieder frei kam) bei Verhören in den okkupierten sowjetischen Gebieten. Frentzel nahm an Erschießungen und der Erhängung von Partisanen und Geiseln teil und tat sich u. a. auch bei der «Liquidierung» des Ghettos von Mogiljow hervor. Über einen «Einsatz» in Borki berichtete er: «Mein eigenes Kind war noch nicht 2 Jahre alt, ich habe es geliebt; aber gleichzeitig habe ich viele Kinder anderer Leute umgebracht. Es war ein Blutrausch, obwohl ich von ›Mordlust‹ nicht reden kann, nur meine Pflicht erfüllt habe.» Frentzel war Zeuge der Ermordung von Kranken in eigens hierfür präparierten «Gas-Wagen». Es jagt dem Leser einen eiskalten Schauer über den Rücken, wenn er in diesem Kontext liest: «Nach Dienstschluss … haben wir … getrunken, so viel wir vertragen konnten, und manchmal mehr. Dabei ging es lustig zu.» 1943 schied Frentzel aus dem Einsatzkommando 8 aus, blieb aber in Gestapodiensten im Raum Krakow. Auch dort nahm er oft an Vernehmungen teil, wobei er sich «nicht ausgelastet» fühlte. Er schlug Verhaftete «mit einem Ochsenziemer, »um schneller ein Geständnis zu erhalten«.

In den letzten Kriegstagen »verwandelte« Frentzel sich dank der Hilfe seiner Mittäter in einen Obergefreiten der Wehrmacht. Zeugnisse seiner Zugehörigkeit zur NSDAP und zur Gestapo beseitigte er soweit er konnte; auch die verräterische Bluttätowierung ließ er sich entfernen. Kurzfristig war er in US-amerikanischer Haft, sodann für fünf Jahre in sowjetischer. Dort galt er als einer von Millionen Gefangenen; bei Woroschilowgrad musste er im Bergbau arbeiten. Der Wolf im Schafspelz war schließlich gar in einer örtlichen »Antifa«-Gruppe aktiv und wirkte nach entsprechender Ausbildung auch als »Wanderlektor«.

1949 zu seiner Familie in Ostdeutschland zurückgekehrt, wurde er 1951 Mitglied der SED, »damit auf mich keinerlei Verdacht fällt«. 1963 nahm er am VI. Parteitag der SED als Delegierter teil. Drei Jahre später jedoch geriet der aus dem Saarland stammende, als Sprengmeister sowie Steiger im Uranbergbau der Wismut tätige und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft angehörende Frentzel ins Visier des MfS. Im Ergebnis umfassender Ermittlungen wurde er im August 1969 verhaftet, im September 1971 angeklagt und im Dezember vom 1. Strafsenat des Bezirksgerichtes Karl-Marx-Stadt zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. 1979 verstarb Frentzel im Haftkrankenhaus Leipzig.

Siegfried Grundmann widmete seine Täter-Biografie »den Opfern des Einsatzkommandos 8«.

Links:

  1. http://www.nd-aktuell.de/shop/article/1457357