nd-aktuell.de / 13.10.2015 / Politik / Seite 3

Die Grenzen der Oppositionspolitik

Im Bundestag kooperiert eine linksgrüne Zweckgemeinschaft zeitweise miteinander. Differenzen sind jedoch unübersehbar

Aert van Riel
Seit zwei Jahren stellt die LINKE erstmals die größte Oppositionsfraktion. Ihre Einflussmöglichkeiten bleiben aber eingeschränkt.

Oppositionsführer im Bundestag galten bis vor wenigen Jahren als Anwärter für einen Ministerposten oder die Kanzlerschaft, wenn sich die politische Stimmung im Land wandelt. Bis zum Jahr 2013 standen etwa Frank-Walter Steinmeier (SPD), Guido Westerwelle (FDP) und Angela Merkel (CDU) an der Spitze der jeweils größten Oppositionspartei. Seit der vergangenen Bundestagswahl hat Linksfraktionschef Gregor Gysi diese Rolle eingenommen. Demnächst teilen sich Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht die Aufgabe. Im Vergleich zu ihren Vorgängern hat die LINKE es schwerer, direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Das liegt auch daran, dass die Partei nur in Brandenburg und Thüringen in der Regierung sitzt und Schwarz-Rot nicht auf linke Stimmen im Bundesrat angewiesen ist.

Dass allein jahrelanges Argumentieren im Parlament und auf der Straße zum Umdenken bei den Mächtigen führt, ist eine Seltenheit. Ein Beispiel hierfür war die Einführung des von der Linkspartei geforderten Mindestlohns durch die Große Koalition. Zwar monierte die LINKE, dass 8,50 Euro in der Stunde zu wenig seien und es viele Ausnahmen gebe, aber insgesamt wurde das Gesetz als großer Erfolg bewertet. Die LINKE will sich nun dafür einsetzen, dass der Mindestlohn künftig für alle gilt und für ein würdiges Leben reicht. Wie wichtig dies ist, zeigt sich in den derzeitigen Debatten über die Bezahlung von Flüchtlingen. Einige Unternehmen wollen Asylbewerber für einen Hungerlohn einstellen.

Um ihre Oppositionsrechte wahrnehmen zu können, muss die LINKE mit den Grünen kooperieren. Die beiden Fraktionen hatten Untersuchungsausschüsse zur Spionage des US-Geheimdiensts NSA und zur Affäre um den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy durchgesetzt. Allerdings war die linksgrüne Zusammenarbeit von Konflikten überschattet. Diese erreichten während des Kriegs in der Ukraine ihren Höhepunkt. Einige LINKE-Politiker kritisierten Vertreter der Ökopartei, weil diese die faschistische Gefahr in der Ukraine verharmlosten.

Auch künftig dürften in der Außenpolitik die Meinungen auseinandergehen. In der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung wurde im Sommer offen eine Flugverbotszone in dem Bürgerkriegsland Syrien gefordert. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte sich zudem für den Einsatz von Bodentruppen der Bundeswehr im Rahmen eines möglichen UN-Einsatzes gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates ausgesprochen. Die LINKE befürchtet hingegen, dass aggressive Einmischung von außen Konflikte weiter verschärft. Bartsch und Wagenknecht hatten auch angesichts wachsender Flüchtlingszahlen Union, SPD, FDP und Grünen vor Kurzem in einem gemeinsamen Papier vorgeworfen, sich an Interventionskriegen und Regime-Change-Politik direkt beteiligt oder diese indirekt unterstützt zu haben.

Diejenigen, die in den nächsten zwei Jahren eine rot-rot-grüne Koalition vorbereiten wollen, werden es aufgrund der weiter bestehenden Differenzen zwischen den drei Parteien nicht leicht haben. Womöglich erübrigt sich die Diskussion in der LINKEN über eine Regierungsbeteiligung aber, wenn in den Umfragen absehbar sein sollte, dass ein Mitte-links-Bündnis keine Mehrheit haben wird. Zurzeit sieht es danach aus.