nd-aktuell.de / 15.10.2015 / Politik / Seite 3

Schiff in Reichweite

SOS Méditerranée sammelt für eine zivile Seenotrettung

Stefan Otto
Mit einem Offenen Brief prangert die Initiative SOS Méditerranée die Abschottungspolitik der EU an. Sie will auch ein eigenes Schiff kaufen, um Flüchtlinge in Seenot zu retten.

Der Plan ist ein großer - eine zivile Seenotrettung im Mittelmeer soll entstehen. Der mit Pro Asyl eng verbundene Menschenrechtsaktivist Heiko Kauffmann hat sich für dieses Vorhaben in den letzten Monaten immer wieder eingesetzt. Angesichts der vielen auf dem Mittelmeer verunglückten Flüchtlinge - allein in diesem Jahr kamen fast 3000 Menschen ums Leben - hat dieses Projekt eine Dringlichkeit.

Mit einem dramatischen Appell hat sich nun die Organisation SOS Méditerranée an die Öffentlichkeit gewendet. »Wie viele denn noch?«, fragen die rund 200 Unterzeichner des Aufrufs, darunter Musiker wie Wolfgang Niedecken und Konstantin Wecker oder Wissenschaftler wie die Migrationsforscher Klaus J. Bade und Wolfgang Benz sowie der Ökonom Thomas Piketty. SOS Méditerranée will den Anstoß für eine zivile Seenotrettung geben. Es gehe darum, »rechtzeitig vor Beginn der Wintermonate, in denen das Meer noch gefährlicher wird, ein Schiff zu beschaffen, eine Crew zusammenzustellen, loszufahren und so viele Menschen wie möglich zu retten«, umreißt der Kapitän Klaus Vogel, der die Organisation im Mai gegründet hat, die nächsten Schritte.

Ein geeignetes Schiff haben die Aktivisten bereits gefunden. Die Markab war bis 2013 im Einsatz der Niederländischen Lotsenvereinigung und steht nun zum Verkauf. »Zwischen 250 und 400 Flüchtlinge könnten bei einem Einsatz gerettet werden«, erklärt Kapitän Vogel. Eine Kampagne zur Finanzierung des Projekts ist vielversprechend angelaufen, in den vergangenen drei Wochen kamen bereits mehr als 225 000 Euro zusammen. Vogel nennt als Kaufpreis für das Schiff 1,2 Millionen Euro, rund drei Millionen Euro pro Jahr würden zudem für den Betrieb benötigt. »Wenn es gelingt, das Schiff bald zu beschaffen und einzusetzen, ist dies auch ein machtvolles Signal der europäischen Zivilgesellschaft für eine offene, menschliche und zukunftsweisende Politik«, sagt die Musikerin Corinna Krome von der Band Yalta Club, die den Offenen Brief mitinitiiert hat.

Es wäre nicht das erste zivile Rettungsschiff im Mittelmeer. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat derzeit zwei Schiffe vor der Küste Libyens im Einsatz, und die Initiative See-Watch leistete in den vergangenen drei Monaten unweit von Lampedusa Erste Hilfe auf See und will künftig vor der griechischen Insel Lesbos aktiv werden.