nd-aktuell.de / 23.10.2015 / Aus dem Netz gefischt / Seite 15

Besuch bei Deppen

Warum der »Bild«-Pranger gegen rassistische Fremdenfeinde kein richtiges Mittel zum Zwecke ist

Robert D. Meyer

Flüchtlingsinitiativen schlagen Alarm: Die rechte Tageszeitung »Das Abendland« hat nicht nur Klarnamen und Wohnort von Unterstützern Asylsuchender veröffentlich, sondern einigen einen Hausbesuch abgestattet. Abendland-Reporter Lutz B. klingelte unangekündigt an ihren Türen und überfiel die irritierten Bewohner mit der Frage: »Warum unterstützen Sie diesen linksgrünen Asylbetrug?«

Die Rechtspostille »Das Abendland« gibt es nicht. Doch solch ein fiktiver Fall müsste genügen, um Befürworter des aktuell abgehaltenen »Bild-Gerichtshofs« (»Tagesspiegel«) zu überzeugen, dass ihr vielleicht edles Motiv eher ein Fußtritt gegen die Grundrechte ist. Frage: Heiligt der Zwecke die Mittel?
»Bild« hatte am Dienstag auf einer Doppelseite zunächst den »Pranger der Schande« ausgerufen und auf einer Doppelseite 42 Kommentare von Facebooknutzern voller Hass und Rassismus veröffentlicht. Einen Tag später setzte Axel Springers Publikation fürs Grobe nach und bescherte den Hasskommentatoren unfreiwillige Homestorys: Bild-Reporter statteten einigen einen Hausbesuch ab und verpackten ihr pseudoinvestigatives Ansinnen in der Frage: »Wer sind die Menschen, die im Internet hetzen und Hass verbreiten?« Ganz so, als würde »Bild« seine Leserschaft nicht kennen und hätte noch nie etwas vom Rassismus der Mitte gehört.

Springer gelingt das unglaubliche Kunststück, dass sich nun Verteidiger demokratischer Grundrechte, zu denen neben dem Recht auf Asyl auch Persönlichkeitsrechte gehören, vor offensichtlich fremdenfeindliche Brandstifter im Geiste stellen müssen. Bildblog-Autor Mats Schönauer fragt: »Was soll das bewirken? Dass die 40 Abgebildeten jetzt stellvertretend für all die Dumpfnasen sozial geächtet, von ihrer Familie verstoßen und von ihrem Boss gefeuert werden?«

»Bild«-Chef Kai Dieckmann interessiert diese Kritik nicht. Stattdessen verteidigt er den Pranger mit den Worten, seine Zeitung könne nicht zulassen, wenn da ein Klima des Hasses erzeugt wird, »was wir nicht wollen.« Offensichtlich hat Springer aber nicht einmal die mittelalterliche Idee des Prangers verstanden, denn der öffentlichen Schande ging in der Regel ein Gerichtsverfahren voraus. Springer hingegen erklärt sich selbst zur Judikative, zum Richter, der den zuständigen Behörden ein Urteil vorwegnimmt und damit indirekt selbst den Staat angreift und dessen Wirken infrage stellt.

Die Frage nach dem Nutzen dieser Provokation stellt auch Toralf Staud bei »Deutschlandradio Kultur«. Der Journalist weist darauf hin, dass sich viele Anhänger von Pegida und anderen fremdenfeindlichen Bewegungen in den sozialen Medien unter einer »Meinungsglocke« versteckten. Sprich: Ihnen ist sowieso egal, was in der »Lügenpresse« steht. Insofern ist der »Bild«-Pranger allenfalls eine weitere Steilvorlage rechter Zeitgenossen, sich selbstgefällig in der Rolle des Opfers der »links-grünen Systemmedien« zu gefallen. Lutz Bachmann, Björn Höcke und Akif Pirinçci machen es uns vor.