nd-aktuell.de / 24.10.2015 / Reise / Seite 31

Ein »Elch« zum Anfassen

Mit Fußballstar Rune Bratseth durch seine Heimatstadt Trondheim. Von Gabi Kotlenko

Gabi Kotlenko

Elchsafaris sind in Skandinavien so selten nicht. Elche allerdings werden dabei kaum gesehen, die verstecken sich lieber vor den Touristenherden. In Trondheim aber stand einer am Flughafen und begrüßte uns noch dazu in hervorragendem Deutsch. »Ich wurde ›der Elch‹ genannt in Bremen«, erzählt Rune Bratseth. Er lebte viele Jahre in Deutschland, war umjubelter Fußballer beim Bundesligisten Werder Bremen und als norwegischer Nationalmannschaftskapitän bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA. Seine drei Kinder sind in Bremen geboren. Gelegentlicher Babysitter war Vereinskollege Marco Bode, mit dem er noch heute engen Kontakt hat. Rune Bratseth ist in Norwegen eine Sportlerlegende. In Trondheim kennt ihn noch heute fast jedes Kind, obwohl seine aktive Laufbahn längst Geschichte ist. Er ist ein sympathischer Botschafter seines Landes und vor allem seiner Heimatstadt Trondheim.

Wir rasen - in dicke Overalls und Schwimmwesten gehüllt - mit Rune und Børre Tangen im RIB-Boot (ein Schlauchboot mit festem Rumpf) über den Trondheimfjord zur Insel Tautra. Vom 1207 gegründeten Kloster sind nur noch Ruinen sichtbar. Grüne Felder weit und breit, und ein bekannter Geruch kitzelt unsere Nasen. Sellerie! Nördlicher als hier wächst kein Sellerie. Die Biere, die in der Mikrobrauerei auf der kleinen Insel gebraut werden, sind preisgekrönt.

Mit dem Boot geht es zurück in die Stadt, vorbei an den 300 Jahre alten Lagerhäusern links und rechts des Flusses Nidelven. Nicht nur mit dem RIB-Boot lässt sich Trondheim erkunden. Auch ein Kajakausflug bietet interessante Perspektiven und einen Blick von unten auf die Stadt. Bei der einzigartigen Lage Trondheims am Fjord, dem Fluss Nidelven und an Kanälen ist das sogar die schönste Art einer Stadtrundfahrt.

Das Fahrrad ermöglicht eher einen Blick von oben. Um von ganz oben auf die Stadt zu schauen, hält Trondheim eine Attraktion bereit: den weltweit einzigen Fahrradlift, der ähnlich funktioniert wie ein Schlepplift am Skihang. Die Benutzung ist schwieriger, als es auf den ersten Blick aussieht. Gleichgewichtsprobleme sind eher hinderlich. Man sitzt auf dem Fahrrad. Eine kleine Eisenzunge kommt aus dem Boden, darauf stellt man den rechten Fuß. Der linke steht auf der linken Pedale. Nun gilt es, das Gleichgewicht zu halten und los geht es. Der Lift ist vor allem bei Studenten beliebt, denn viele Universitätsgebäude befinden sich oberhalb der Stadt. Trondheim ist die Radlerstadt Nummer 1 in Norwegen. Die Touristinformation bietet moderne Leihfahrräder an, die an vielen Stellen in der Stadt stehen. In Trondheim fährt auch die nördlichste Straßenbahn der Welt. Die bringt ihre Fahrgäste in 20 Minuten in das Skigebiet.

Die Stadt ist international, so wie auch das Leben Rune Bratseths. Und das seiner Frau, einer Lehrerin. Sie organisiert u. a. Schüleraustausche, auch mit der alten Heimat Bremen.

Die drittgrößte Stadt Norwegens hat 200 000 Einwohner. Als das berühmteste Bauwerk, der Nidarosdom, entstand, zählte Trondheim gerade einmal 3000 Bewohner. Die hätten dann alle auf einmal in den Dom gepasst. Der größte skandinavische Dom wurde nach 250-jähriger Bauzeit 1320 fertiggestellt. Wikingerkönig Olav Tryggvason gründete Trondheim im Jahr 997. Die Stadt war 200 Jahre lang die Hauptstadt Norwegens. Im Jahr 1152 wurde sie Sitz des Erzbischofs. Einst hieß Trondheim Nidaros - Stadt an der Mündung des Flusses Nidelven. Der Dom behielt diesen Namen. Durch das riesige Bauwerk führt uns Diana - in perfektem, aber leicht eingefärbtem Deutsch. Auf die Frage, wo sie herkommt, antwortet sie fast entrüstet: »Ich bin Norwegerin.« Fügt aber dann hinzu: »Meine Eltern kommen aus Leipzig.« Die Eltern seien hierhergekommen, weil es Arbeit für sie gab - für den Vater als Bauarbeiter, für die Mutter als Lehrerin. »Inzwischen haben sie sich selbstständig gemacht und verkaufen Räucherlachs.«

In Trondheim befindet sich das »Rockheim«, das norwegische Nationalmuseum für populäre Musik. Simon führt uns durch das 2010 eröffnete Haus. Musik erklingt aus jeder Ecke. »Es ist unsere Aufgabe, die Geschichte unserer Musik zu bewahren«, umreißt er seine Mission. Jedes Jahrzehnt hat hier seine eigenen Räume und jeder Raum sein eigenes passendes Design. Es ist ein interaktives Museum, wo jeder, der Lust hat, Bass, Schlagzeug oder Gitarre spielen kann. Die Besucher gestalten sich ihr Programm selbst, sogar bei Heavy-Metal-Musik kann man sich austoben. Das »Rockheim« ist ein Spielplatz für Musikliebhaber.

Jeder norwegische König wird bei seinem ,Amtsantritt im Nidarosdom in Trondheim gesegnet. Die Königsfamilie hat im Zentrum der Stadt noch immer eine riesige Residenz. Den Kronprinzen und die Kronprinzessin Norwegens haben wir knapp verpasst. Sie reisten einen Tag vor unserer Ankunft ab. Aber was sind künftige Könige gegen ein Treffen mit dem ewigen Fußballkönig Rune Bratseth, der von seiner langjährigen Bremer Trainerlegende Otto Rehhagel später geadelt wurde. Als es bei den von Rehhagel trainierten Kaiserslauterern nicht so gut lief, meinte der: »So einen wie Rune Bratseth könnte ich jetzt gebrauchen.«