nd-aktuell.de / 29.10.2015 / Politik / Seite 4

Im Nirgendwo

Sigmar Gabriel will Kanzler werden. Und wovon träumen Sie des nachts?

Velten Schäfer

2016 wird »Utopia« 500. Und nicht nur Literaten wollen dem Roman von Thomas Morus über die gute Gesellschaft auf der fernen Insel Irgendwo ein würdiges Jubiläum bereiten, sondern auch Sigmar Gabriel. Im Vorgriff auf das Jahr, in dem sich die SPD für die Bundestagswahl 2017 aufstellen muss, blickt der Parteichef mutig in die Ferne: »Natürlich will ich Bundeskanzler werden«, sagte er dem »Stern«. Ganz ohne »persönliche Eitelkeit«, wie sich versteht. Er könne das halt.

Nach Jahren eines Defätismus, der jüngst in der Überlegung des Kieler Ministerpräsidenten gipfelte, die SPD brauche doch gar nicht mehr so zu tun, als wolle sie gewinnen, ist das eine echte Nachricht. Allerdings in der Kuriositätenrubrik, so abwegig klingt das inzwischen.

Denn wer neue Welten sucht, kann nicht auf einem Liniendampfer anheuern. Er muss sich ein eigenes Schiff besorgen. Doch aus dem schnöden Hierzulande, in dem Unionsverluste allen nützen, nur sicher nicht der SPD, gibt es dorthin nur eine Route: die zehn Prozent der Linkspartei. Um diese flott zu machen, müssen sich nicht nur andere bewegen, sondern auch Gabriel. Will er wirklich noch einmal versuchen, die Stiefschwester durch Missachtung aus dem Parlament zu drängen?

Flexibel ist der 1959 in Goslar geborene Politiker. Zwischen dem marxistischen Flügel der »Falken«, der Staatskanzlei in Hannover, einer etwas anrüchigen Beraterfirma sowie dem Wirtschaftsministerium hat der einstige »Popbeauftragte« schon viele Haken geschlagen. Das qualifiziert ihn als Parteichef.

Ins Kanzleramt aber führte aus seiner Lage nur ein ganz anderer Kurs. Gabriel müsste auf die steigende Zahl der kleinen Leute achten, die mit Wahlen abgeschlossen haben. Er müsste sich mutig auf neue Planken stellen, mit neuer Mannschaft nach neuen Horizonten suchen und dabei auch mal hart am Wind manövrieren.

Das aber kann Minister TTIP nie und nimmer. Statt Segel gen Utopia zu setzen, dümpelt sein Kahn weiter im Windschatten. Im Nirgendwo statt Irgendwo.

Und der Rest ist - Eitelkeit.