nd-aktuell.de / 13.11.2015 / Berlin / Seite 9

Müllers 
Breitseite

Martin Kröger über eine erstaunliche Regierungserklärung

Martin Kröger

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Faxen in der Flüchtlingspolitik dicke. Die beschämenden Bilder von im Freien schlafenden geflüchteten Menschen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, die jeden Abend über die Bildschirme flimmern, lassen den Sozialdemokraten nicht kalt. Deshalb begann der Regierende seine Regierungserklärung am Donnerstag mit selbstkritischen Worten – und setzte sie mit einer Breitseite gegen alle Verweigerer, Zauderer und Blockierer in der Stadt fort, die die Unterbringung der ankommenden Menschen in Berlin verhindern und verschleppen. »Ich bin nicht mehr bereit, beim Nichtstun zuzugucken« war eine der Ansagen. Und: »Wer sich dieser Aufgabe nicht gewachsen sieht, der soll im Interesse der ankommenden Menschen und aller Berliner nicht im Weg stehen, sondern Platz machen.«

Von vielen Beobachtern und der CDU-Fraktion selbst wurde das als direkter Angriff auf die Senatoren der Union verstanden. Wahrscheinlicher ist, dass das von Müller zwar als Kollateralschaden mit einberechnet wurde. Vordergründig ging es dem Regierenden aber in seiner Ruckrede eher um die langsam mahlenden Mühlen in den Behörden und Bezirken. Dort verschwenden einige immer noch ihre Energien, um möglichst wenige Flüchtlinge unterzubringen. Diese Blockaden aufzubrechen, das ist Müllers Ziel. Mit seiner Regierungserklärung hat der Regierende die politische Latte für sich und seinen Senat indes hoch gehängt. Die Erklärung ist zwar juristisch nicht bindend, aber politisch. Müller wird daran gemessen werden.

Für die Große Koalition bedeuten die erneuten Querelen erst einmal wenig. Einen Koalitionswechsel wird es so schnell nicht geben. Nach der Ehe für alle wird aber auch bei der Flüchtlingspolitik deutlich, wie groß die Unterschiede in den Positionen zwischen SPD und CDU sind. Wenn es Müller wirklich ernst meinen würde, könnte er einen CDU-Senator wie Mario Czaja einfach feuern. So schlimm ist es aber dann wohl doch nicht.