nd-aktuell.de / 17.11.2015 / Politik / Seite 8

Hoffnung auf Vereinigung Zyperns wächst

Hochrangige Außenminister wollen Gespräche auf der noch geteilten Insel unterstützen

Christiane Sternberg, Nikosia
Nach 41 Jahren ist ein Ende der Teilung Zyperns in greifbarer Nähe. Über die Details einer möglichen Einigung wird aber noch Stillschweigen bewahrt.

Wenn der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag zu seinem Besuch in der Republik Zypern eintrifft, ist die Wiedervereinigung der geteilten Insel womöglich nur noch ein halbes Jahr entfernt. Überraschend erklärte der griechisch-zyprische Präsident Nikos Anastasiades kürzlich, dass die Vereinigungsgespräche noch vor den Parlamentswahlen im Mai 2016 zu einem Ergebnis führen könnten.

Die positiven Aussichten basieren auf den intensivierten Verhandlungen zwischen Präsident Anastasiades und dem Führer der Zyperntürken, Mustafa Akinci. Allein im November treffen sich die beiden höchsten Vertreter der zyprischen Volksgruppen sechs Mal, um auf den schwierigsten Verhandlungsfeldern eine Einigung zu erzielen. Die Themen werden bei den ständigen Zusammenkünften der technischen Komitees und der Chefunterhändler vorbereitet, um dann auf oberster Ebene ausgewogene Kompromisse zu finden. Während dieser entscheidenden Phase der Gespräche ist vereinbart worden, keine Details über die erreichten Deals zu verlautbaren. Zu groß ist nach Ansicht der erfahrenen Politiker die Gefahr, dass mögliche Vorschläge von der Opposition und Vereinigungsgegnern zerredet und angefeindet werden.

Doch es gibt auch von außen positive Anzeichen. So erklärte die Türkei, dass eine Garantie für das Vereinigte Zypern nicht notwendigerweise militärische Komponenten beinhalten müssten. Die bisherigen Garantiemächte, die in der zyprischen Verfassung von 1960 festgelegt wurden, sind Großbritannien, Griechenland und die Türkei. Letztere machte nach dem Putsch in Zypern 1974 von ihrem Interventionsrecht Gebrauch, besetzte 37 Prozent des zyprischen Territoriums und zementierte damit die Teilung. Die starke militärische Präsenz von 40 000 türkischen Soldaten im Norden der Insel wird bis heute mit dem Garantiestatus begründet.

Unterstützung bekommen die Zyprer verstärkt aus diplomatischen Reihen. Der deutsche Außenminister ist der erste wichtige Besucher in Nikosia. Er äußerte laut der Nachrichtenagentur CNA die Hoffnung, das Zypern - wie Deutschland vor einigen Jahren - »das Geschenk der Wiedervereinigung genießen« werde. Zwei Tage nach ihm wird sein britischer Amtskollege Philip Hammond erwartet, für Dezember haben sich der oberste US-Diplomat John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow angekündigt. Das hochkarätige Interesse an der Insel im Mittelmeer unterstreicht die drängende Aufgabe, Zyperns 41-jährige Teilung zu überwinden, um einen befriedeten Punkt an der Schwelle zum Nahen Osten zu schaffen. Dass Zypern auch von strategischer Bedeutung ist, davon zeugen die britischen Militärbasen Akrotiri und Dekelia, Limassol als sicherer Hafen des Maritimen Einsatzverbandes UNIFIL, der für Libanon zuständig ist und bei dem auch deutsche Einheiten im Einsatz sind, sowie ein 2014 geschlossenes Abkommen, das der russischen Luftwaffe die partielle Nutzung des zyprischen Militärflughafens in Pafos und das Anlegen russischer Militärschiffe im Hafen von Limassol gestattet.

Sollten es die beiden gemäßigten zyprischen Politiker Nikos Anastasiades und Mustafa Akinci tatsächlich bewerkstelligen, eine Einigung zu erzielen, müssen die beiden Volksgruppen in separaten Abstimmungen über den Vereinigungsplan entscheiden. Erst dann stellt sich heraus, ob es künftig eine Föderale Republik Zypern geben wird. Hinter den Kulissen aber wird bereits an den Voraussetzungen für den besten aller Fälle gearbeitet. Ein Komitee unterstützt die Harmonisierung der Gesetzgebung im Norden Zyperns mit dem EU-Acquis. Parallel dazu wird der Wechsel von der Türkischen Lira zum Euro vorbereitet. Mit dem Tag X würde dann das Hoheitsgebiet der EU auf einen Schlag um weitere 3355 Quadratkilometer wachsen - etwas mehr als die Größe des Saarlandes.