Joe Hill

Kalenderblatt

  • Axel Berger
  • Lesedauer: 2 Min.

»Seine Songs haben mehr Arbeitern die Augen geöffnet als alle sozialistischen Zeitungen zusammen«, hieß es in einem Nachruf auf den Mann, der vor 100 Jahren, am 19. November 1915, einem der skandalösesten der zahlreichen Justizmorde in den USA zum Opfer fiel. Im Alter von nur 35 Jahren war der Folksänger, Wanderarbeiter und Aktivist der radikalen US-Gewerkschaft »Industrial Workers of the World« (IWW), Joe Hill, von einem Gericht in Utah wegen Mordes an dem ihm völlig unbekannten Lebensmittelhändler John Morisson und dessen Sohn Arling angeklagt und zum Tode verurteilt worden. Beweise waren zurückgehalten, Zeugen eingeschüchtert und alle kurz nach der Tat verhafteten Verdächtigen eilig auf freien Fuß gesetzt worden. Den Geschworenen reichte vor allem ein Brief des Polizeichefs des über tausend Kilometer entfernten kalifornischen Ortes San Pedro, der Hill zwei Jahre zuvor widerrechtlich wegen Streikagitation festgenommen hatte. Zwar konnte er nichts zum Tathergang beisteuern, versicherte dem Gericht aber, er sei von der Schuld Hills überzeugt: »Sie haben den richtigen Mann.« Das reichte.

Geboren wurde Joe Hill als Joseph Hägglund am 7. Oktober 1879 im schwedischen Gävle. Von dort machte er sich 22 Jahre später ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf, um der drückenden Armut in seiner Heimat zu entfliehen. Aber auch auf der anderen Seite des Atlantik fand er wenig, was zu Hoffnung einlud. Er zog von Job zu Job durchs Land und wurde zu einem der bekanntesten Agitatoren der 1905 gebildeten Wobblies, wie die Mitglieder der IWW genannt wurden. Seine Songs über den Alltag der überwiegend migrantischen Industrie- und Wanderarbeiter, die voll des Spotts und der Abscheu gegenüber den Herrschenden waren, fanden Einzug in das »Little Red Songbook« der IWW, das sich schnell über das gesamte Land verbreitete.

Nach einem Intermezzo in der Mexikanischen Revolution landete der sich nun Joe Hill nennende Schwede schließlich im Mormonenstaat Utah, wo er in den Silver King Minen anheuerte, deren Arbeiter sich beständig mit den Schlägern der Minenbosse auseinanderzusetzen hatten. Joe Hill war immer mittendrin. Auch als die Bauarbeiter der United Construction Company in Salt Lake City in den Ausstand traten. Welchen Hass der singende Revolutionär dabei auf sich zog, wurde deutlich, als Utahs Gouverneur William Spry den Urteilsspruch gegen Joe Hill kommentierte: Ob schuldig oder nicht, dieser helfe, die Straßen von »gesetzlosen Elementen und Wobbly-Agitatoren« zu reinigen.

Hunderttausende demonstrierten für Hills Freilassung und verfassten Petitionen. »Trauert nicht, organisiert Euch«, schrieb der Verurteilte in seinem Abschiedsbrief an den IWW-Chef Bill Haywood. Immerhin: Bei Radikalen in den USA und weltweit ist Joe Hill ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie in der Folkgemeinde. Axel Berger

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