nd-aktuell.de / 21.11.2015 / Politik / Seite 1

Soziale Treibsätze im Athener Parlament

Politik der griechischen Regierung bedient die Gläubiger und lässt die Mehrheit schrumpfen

Anke Stefan, Athen
Schrumpfende Mehrheit, bröckelndes Sozialsystem - Griechenlands Regierung sitzt auf politischer Konkursmasse.

Die griechische Regierungsmehrheit schrumpft. Zwar wurde am Donnerstagabend ein weiteres Maßnahmenpaket verabschiedet, das die Gläubiger Griechenlands zur Voraussetzung der Auszahlung weiterer Milliarden festgelegt hatten. Je ein Abgeordneter der Koalitionsparteien SYRIZA und ANEL tragen die Regierungspolitik jedoch nicht länger mit. Beide wurden daraufhin aus ihrer jeweiligen Fraktion ausgeschlossen, die damit nur noch über 153 der insgesamt 300 Parlamentarier verfügen. Ausschlaggebend für Stathis Panagoulis (SYRIZA) und Nikos Nikolopoulos (ANEL) war die im Paket enthaltene Regelung über die Pfändung der Immobilien säumiger Kreditnehmer bei griechischen Banken. Damit wird der bisher geltende Schutz der Erstwohnung nur noch bei extrem niedrigen Einkommensverhältnissen gelten.

Er könne den Gewissenskonflikt, die »Verringerung der nationalen Souveränität bei der Festlegung der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes« mitverantworten zu müssen, nicht mehr ertragen, so Panagoulis.

Der Ministerpräsident habe noch im Wahlkampf den Schutz der Erstwohnung, Steuererleichterungen und Investitionsprogramme versprochen, aber »nichts davon eingehalten«, begründete Nikolopoulos seine Nein-Stimme.

Zuvor hatte auch der SYRIZA-Abgeordnete Gavriil Sakellaridis erklärt, die Politik seiner Partei nicht länger mittragen zu können. Im Unterschied zu den beiden Gegenstimmen gab der ehemalige Regierungssprecher und enge Vertraute von Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Sitz im Parlament jedoch noch vor der Abstimmung zurück. Seinen Platz nimmt Vize-Innenminister Christoforos Vernardakis ein.

Der Inhalt der Gläubigervereinbarung sei allen Kandidaten vor den Wahlen im September bekannt gewesen, hieß es aus Regierungskreisen. Der für die Verwaltungsreform zuständige Vize im Innenministerium, Giannis Balafas, erklärte dagegen, auch mit den nun verabschiedeten Regelungen werde es keine Zwangsversteigerung von Erstwohnungen geben. Wer wirklich nicht zahlen könne, werde geschützt, so Balafas am Freitagmorgen im griechischen Frühstücksfernsehen. Bereits in der Debatte hatte Finanzminister Efklidis Tsakalotos erklärt, die Regelung richte sich ausschließlich gegen all diejenigen, die trotz ausreichender Einkommen ihre Schulden nicht begleichen wollten.

Zeitgleich zur Debatte demonstrierten am Donnerstagabend Hunderte vor dem Parlament gegen die Verabschiedung der Maßnahmen. Bereits am Mittwoch waren Tausende Bauern aus dem ganzen Land in die Hauptstadt gekommen, um gegen die ebenfalls im Paket enthaltene Erhöhung ihrer Einkommensteuer von 13 auf 26 Prozent ab dem ersten Euro zu demonstrieren.