nd-aktuell.de / 27.11.2015 / Kultur / Seite 14

Mehr geht nicht!

Die »Blätter« zeigen Alternativen zum Wachstum

Alexander Isele

Man kann auf den Krisenmodus unserer Zeit mit zunehmenden Zynismus reagieren, nach dem Motte »nach uns die Sintflut«. Trotz zahlreicher kritischer Stimmen halten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an ihrer Orientierung am Wirtschaftswachstum fest. Konsum wird als Quelle individuellen Glücks, als naturgegebenes Recht zu einer persönlichen Entwicklung angesehen. Eine andere Möglichkeit bietet die zunehmende Postwachstums-Bewegung. Sie will sich mit einem Wirtschaftsmodell, das nur auf Wachstum fokussiert ist, nicht länger abfinden und Alternativen aufzeigen, die ein anderes Leben ermöglichen - für Individuen wie auch die Gesellschaft. Die »Blätter für deutsche und internationale Politik« schenken der Degrowth-Bewegung seit ihren Anfängen Aufmerksamkeit, der Reader ist eine Zusammenstellung von 30 Aufsätzen.

Hier wird eine radikale Kritik am gegenwärtigen Wirtschaftsmodel formuliert, wobei die entscheidende Frage lautet: Was bedeutet gutes Leben? Im ersten Teil »Wir konsumieren uns zu Tode« wird die Frage gestellt, wie die Wachstumsideologie des Kapitalismus zum allem beherrschenden Denkschema wurde. Das Dilemma ist, dass der Klimawandel verlangt, wir sollten weniger konsumieren, aber das »Konsumentendasein ist alles, was wir kennen«: Kaufen - wegwerfen - neu kaufen. Dieses Verhalten zwingt die Produzenten zu einem »Krieg gegen die Erde«, welcher im zweiten Teil des Bandes beschrieben wird und der seinen Ursprung in einer Ökonomie hat, die die »ökologischen und ethischen Grenzen« nicht anerkennt, in Ungleichheit, Habgier und wirtschaftlicher Konzentration. Ökologie in Ökonomie stehen sich in einem Apartheidsverhältnis gegenüber.

Ob die Versuche eines »Green-New-Deal«, einer grünen Wirtschaft, das zerstörerische Verhältnis zwischen Umwelt und Wirtschaftswachstum aufheben können, darüber wird im dritten Teil »Grünes Wachstum, des Rätsels Lösung?« gestritten. Hier gelingt es den »Blättern«, die oft vage gehaltenen Alternativen zum Wirtschaftswachstum konkret werden zu lassen. Schließlich werden Auswege zum Wachstumsdenken aufgezeigt, wobei das »Raus aus der Wachstumsmühle« unterschiedlicher Konzepte bedarf, die letztlich das »gute Leben« ermöglichen. Das dieses bereits heute als real existierende Wachstumsalternative umgesetzt wird (Urban Gardening, Genossenschaften, Sharing Economy), zeigt der fünfte Teil »Her mit dem guten Leben«.

Der Postwachstums-Reader leistet einen wichtigen Beitrag zum Degrowth-Diskurs. Er ermöglicht einen raschen Überblick über verschiedene Themen und ist dabei jedoch mehr als Einführungsbuch. Seine fundamentale Kapitalismuskritik bereichert die Debatte, in der es um nichts weniger als das Überleben des Planeten geht. Für einen Reader ein großer Beitrag: »Mehr geht nicht!«

Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg.): Mehr geht nicht! Der Postwachstums-Reader. Blätter Verlagsgesellschaft, Berlin 2015. 336 S., br., 18 €