Unterwegs

T. Raumschmiere

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Stephan Stephenson war einst Gründungsmitglied des ebenso einflussreichen wie im steten musikalischen Wandel begriffenen isländischen House- und Technopopkollektivs GusGus. Nach 20 Jahren verließ er nun vor einigen Monaten die Band und nennt sich als Solokünstler jetzt President Bongo. »Schon immer« will er »von Afrika fasziniert« gewesen sein, wie er sagt. Auch deshalb hat er dessen Tierwelt zum Thema seines Albums »Serengeti« gemacht. Alljährlich wiederhole sich in der Serengeti dasselbe faszinierende Schauspiel: Millionen von Wildtieren bewegten sich auf der Suche nach Weideland in dieselbe Richtung, »wie ein Fluss von majestätischen Proportionen«.

Tatsächlich sind aus dem psychedelisch anmutenden Gemisch aus den »Herzschlag der Tiere« nachahmenden oder wummernden Clubsounds, virtuosem Conga-Getrommel, weltvergessenem Einsamkeitsblues und Gitarrenrumoren erkennbar Einflüsse westafrikanischer Volksmusik herauszuhören. Was hier jedenfalls wunderbar gelingt, ist das Kunststück, disparateste Klänge zu einem streng regulierten, kompakt klingenden, dynamisch fließenden Etwas zu verschweißen: Samples, melancholiegesättigte Streicher, Akkordeonwimmern und fernes Windspielgedengel fügen sich geschmeidig in den nimmermüden Fluss der elektronisch generierten Beats.

Ganz und gar andere und - wenn man die unbarmherzig zelebrierten Krachorgien des seit 20 Jahren sägenden Industrial mit dem Dancefloor vereinenden Künstlers kennt - für ihn eher untypische Klänge liefert hingegen überraschend der Berliner Elektrolärmpionier T. Raumschmiere auf seinem soeben erschienenen siebten Album, seinem ersten seit sieben Jahren: Hier hat das Sägewerk endlich einmal Pause. Stattdessen haben wir es dieses Mal wohl mit einem Containerschiff oder Schwergutfrachter zu tun, der ein beschaulich schnarrendes bzw. bedrohlich grollendes Ambient-Pluckern von sich gibt, das man behutsam mit elegant platzierten Schabe-, Knacks-, Glucker- und Klackergeräuschen aufgebimselt hat. So wird beim Hörer vor allem das Bild eines riesenhaften, metallenen Schiffsungetüms heraufbeschworen, dessen unter Wasser entstehende Fortbewegungsgeräusche man aufgenommen hat, inklusive Schiffsschraubendröhnen, grellem Signalfiepen und -pfeifen und ruhelosem Tosen der Wellen. Das Motiv der Reise und des Unterwegsseins finden wir also auch hier: Die Titel tragen entsprechende Namen wie »Abfahrt«, »Dampfer« oder »Anker«. Schön.

President Bongo: »Serengeti« (Albumlabel)

T. Raumschmiere: »T. Raumschmiere« (Albumlabel)

Eine Labelnacht mit beiden Künstlern findet heute, am 27.11., ab 23 Uhr im »Urban Spree« statt, Revaler Straße 99, Berlin-Friedrichshain.

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