Im Zwielicht Sonne

Der grandiose Schauspieler Rolf Hoppe wird 85

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Hass lächelt. Die Verachtung hat Samtpfötchen angelegt. Der Ekel probt die Heimtücke einer gespielten Loyalität. Es macht Spaß, im Klischee zu baden. Es ist eine Wonne, durchs Typische zu wüten. Seelenfinsternis - dann und wann auch als toll-tumbes Fleischglühen.

Rolf Hoppe. Spieler, zum Beispiel, in Filmen von Schamoni, Zschoche, Rücker, Beyer, Seemann, Kasprzik, Wolf, Kawalerowicz, Simon, Gräf, Warneke, Dietl. Er war Monarch, kleiner und großer Gauner oder sonstiger Schurke vom Dienst. Schwitzend-blöder Indianerjäger oder schneidend-arroganter Bourgeois. Lebemann oder Sachsens starker August. Schwere nervöse Helden, und doch schwebend. Istvàn Szábos weltberühmter »Mephisto«: Hoppe als Nazibonze, Göring nachempfunden. Wenn die Kamera die Augenhöhe verlässt und leicht von unten das Gesicht des Schauspielers erfasst, dann geht diese Fresse, die er spielt, als fette Sonne auf, die sich quasi selber umstrahlt.

Hoppe, 1930 im Südharzer Ellrich geboren, ist trotz sehr präsenter Rollen nie ein Vordergrundspieler gewesen. Das Filigrane seiner Fieslinge, das tigerhaft Schleichende seiner Despoten, das Feiste seiner Desparados sowie die leidende Versenkung oder die melancholische Verzagtheit bei seinen Vätern und anderweitig Lebensgegerbten - das hatte bei aller Kraft etwas fein Verhemmtes. In der kehligen Stimme etwas spannungsvoll Gedämpftes. Trotz Schnaufen. Nicht derb trat er auf, er umtänzelte. Seine Schmerzwitterungen, seine Tollheiten, seine Wege vom Himmel durch die Welt zur Hölle (weniger umgekehrt) fanden sekundenschnell in den Augenwinkeln statt, in den Mundwinkeln, in den Spannungen zwischen Blick und Lippenbekenntnis oder Lippenlüge. Ein Zucken oder ein Gieren oder ein Grinsen oder ein Lächeln. Mehr nicht. Alles.

Sein Agieren verlor nie das flatternde Misstrauen. Stört Scheu die Kunst? Es ist die Kunst. Jedenfalls bei Hoppe. Das Schüchterne triumphierte, aber wie ein Triumph sah es trotzdem nie aus. Mit raffinierter, zwielichtiger Wirkung kann man als Schauspieler geschlagen sein, als sei es ein Fluch - wo es doch der wahre Zauber ist. Die Operette drückt’s positiv aus: Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist? Hoppe ist nicht Sigismund, aber seine Kunst ist schön, weil sie wahrhaftig ist.

Wahrhaftig worin? Im Zwielicht Strahlung. Ich behaupte: Auf deutschem Kunstgelände gibt es keinen filmischen Gestalter, der so graziös und so beschwingt im Bösen jenes wirklich Böseste offenlegte: nämlich das Menschliche daran, das Kindliche fast. Im Dämon die liebende Seele. Ja, Hoppe wäre nicht Hoppe, wenn er nicht stets versucht hätte, uns noch den hässlichsten Kerl - ans Herz zu legen. Wie eine schleimige Schlange, angepriesen aber als schönen Schal. Ein verblüffender Ambivalenz-Artist, und so war er auch ein wunderbarer weicher, fideler Filmgroßvater, und alles passte zusammen - weil selbst das Unheimliche seiner Erscheinung doch die entblößte Haut und das nackte Herz seines Spiels nie verdecken konnte.

An diesem Sonnabend wird dieser grandiose, liebenswerte deutsche Schauspieler 85 Jahre alt.

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