nd-aktuell.de / 07.12.2015 / Kultur / Seite 17

Raab folgt Jauch nach

Jan Freitag

Ach, eigentlich hätte man ihm doch einen würdevolleren Abschied gewünscht. Eigentlich wäre Günther Jauch eine Prise Restanstand zu wünschen gewesen nach vier Jahren unablässigen Bashings seriöser Feuilletons. Eigentlich spricht man von Toten ja nicht schlecht. Nur, warum lädt Deutschlands zahnlosester Talkgastgeber dann nicht Gäste zum Schlussakt, denen er gewachsen ist, eine Krabbelgruppe seines Potsdamer Reichenghettos oder rampenlichtunerfahrene Otto-Normalverbraucher, idealerweise RTL-Zuschauer und Quizfans? Aber nein, er muss es im ARD-Finale mit Wolfgang Schäuble aufnehmen, der schon bissigere Moderatoren zerfleischt hat.

Dabei wollte der Plauderonkel jede Konfrontation mit dem kampfeslustigen Gegenüber vermeiden, indem er artige Fragen an »Deutschlands dienstältesten Abgeordneten, beliebtesten und wortmächtigsten Minister und für manche gar heimlichem Kanzler« mit Gefälligkeitsgutachten wie »viele Wähler möchten ja, dass alles so bleibt« einleitet. Dennoch kanzelte der Innenminister seinen Stichwortgeber ab wie einen Schülerzeitungsreporter, aber gut - so dürfte auch dem allerletzten Fan des Erklärbärs aufgegangen sein, dass dessen Aus im Ersten keine Minute zu früh, sondern vier Jahre, zwei Monate und 18 Tage zu spät kam.

Nur ein paar seiner 16 Jahre auf Sendung zu spät hingegen macht Stefan Raab Schluss mit »TV total«, einer Sendung, die zwar nicht immer geschmackssicher war, aber doch über die Jahre zu den herausragenden Unterhaltungsformaten seiner Art zählte und das Auslaufmodell anspruchsvoller Musik permanent am Bildschirm hielt. Kurz vor seiner Rente mit 49 zeigt Pro 7 am kommenden Freitag vier Stunden lang ein Best-of, woran sich gut ablesen lässt, warum der Kölner Entertainer heute zu den wenigen Lichtblicken des Metiers zählt.

Darüber hinaus steht diese Woche nicht nur angesichts der Fortsetzung von »Deutschland 83« am Donnerstag im Zeichen deutsch-deutscher Brüche. Der ARD-Mittwochsfilm etwa begibt sich in die 1960er Jahre. In »Der verlorene Bruder« erfährt das von Charly Hübner und Katharina Lorenz gespielte Ehepaar, deren ältester Sohn seit der Flucht 1945 aus dem Osten als verschollen gilt, von einem Kind, das der gemeinsame Sohn sein könnte und das nun auf Verwandtschaftsverhältnisse hin geprüft wird, was Bruder Max gegen den Strich geht, dem wenig an innerfamiliärer Konkurrenz gelegen ist.

Das Zweistaatenthema ist aber auch dokumentarisch verwertbar, etwa am Sonntag auf N 24, wenn der Übergang zur Einstaatlichkeit am Beispiel eines Künstlers geschildert wird, der von DDR und BRD gleichermaßen profitierte. »Udo und Berlin!« folgt Lindenberg unterhaltsam auf beide Mauerseiten. Weiter südwestlich spielt eine andere Doku. »Und plötzlich bist du verrückt« erklärt am Dienstag im BR einen Skandal der an Skandalen keinesfalls armen (Un-)Rechtsgeschichte Bayerns: Die Kaltstellung des Systemkritikers Gustl Mollath durch Staat und Justiz, wobei es Leonie Stade und Annika Blendl weniger um Politik als um die Psychiatrie geht, in der Patienten bis heute entrechtet werden.