Auf dem Waldboden der Tatsachen

Zustandsanalyse registriert eine zunehmende Versauerung

Gegen die Versauerung des Waldbodens hilft es, Nadeln, Zweige und Baumrinde bei der Holzernte im Forst zu lassen. Doch das senkt die Erlöse.

Um seinen Kurzvortrag anschaulicher zu gestalten, hat Michael-Egidius Luthardt am Montagmorgen extra einen Sack frische Walderde aus Chorin mitgebracht. Den stellt er jetzt im Potsdamer Agrarministerium vor sich auf den Tisch, greift herzhaft hinein. Luthardt leitet das Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde. Seine Aufgabe am Montag: Vorstellung der Ergebnisse der Bodenzustandserhebung.

Leider ist der Waldboden genau das nicht, aber so wie in der mitgebrachten Probe sollte er am besten überall sein: fluffig, feucht und fruchtbar. Auch Blätter einer Buche findet Luthardt in dem Sack und kann damit belegen, dass dieses Stück Erde nicht aus einer Kiefernmonokultur stammt. »In einem Kubikmeter Walderde befinden sich mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde - Mikroben, Springschwänze, Milliarden von Pilzen«, schwärmt der Experte, der von 2009 bis 2014 der Linksfraktion im Landtag angehörte. »Da krabbelt es schon«, sieht er.

Bei der bundesweiten Zustandsanalyse, die alle 15 Jahre durchgeführt wird, sind in Brandenburg 322 Gruben ausgehoben worden, um an die Proben für jeweils acht mal acht Kilometer große Gebiete zu gelangen. Herausgekommen ist unter anderem, dass der märkische Waldboden zunehmend versauert, besonders dicht unter der Oberfläche, wo die Bäume ihre Feinwurzeln haben, durch die sie Nährstoffe aufnehmen. In zu saueren Böden können beispielsweise Mikroben nicht überleben, erläutert Luthardt die Gefahr.

Er erklärt sich die Versauerung dadurch, dass Kohlekraftwerke und der Kalkabbau in Rüdersdorf früher viel mehr basische Asche und Kalk ausgestoßen haben. So schädlich Braunkohlekraftwerke für das Klima sind, hier tun sie der Umwelt einmal ausnahmsweise gut.

Es gibt Standorte, die sind von Natur aus sauer. Die Forstwirtschaft kann auf Versauerung reagieren. Sie muss nicht gleich mit Kalk oder Holzasche düngen, wie es in anderen Staaten geschieht. Im Moment reicht es meistens aus, beim Fällen von Nadelbäumen die Äste liegen zu lassen, bis die nährstoffreichen Nadeln ausgefallen sind. Danach können die kahlen Äste aufgesammelt und verwertet werden. Für die Zukunft denken die Experten jedoch darüber nach, die Stämme zu schälen und auch die Rinde im Wald zu lassen.

Würde die Forstwirtschaft den gesamten Baum von der Wurzel bis zur letzten Astspitze samt Nadeln verwerten, dann wäre der Nährstoffgehalt im Waldboden überall in Brandenburg viel zu gering, ausgenommen nur einige kleinere Flächen vor allem im Nordosten des Bundeslandes. Würden die Forstleute das Holz dagegen sehr sparsam aus den Wäldern holen, dann sähe es insgesamt sehr gut aus, und nur im Süden wäre die Lage ein bisschen problematisch.

Gegenwärtig wählt der Landesbetrieb Forst einen Mittelweg. »Solche lockeren, weichen Böden wünschen wir uns«, sagt Luthardt und greift noch einmal in den Sack mit Erde aus Chorin. »Aber wir müssen auch die Ökonomie beachten.« Mehr Holz heißt mehr Geld. Umgekehrt sinken die Erlöse, wenn Pferde die Bäume aus dem Wald ziehen, statt diese Arbeit ganz den schweren Forstmaschinen zu überlassen. Noch mehr Kosten verursachen Seilbahnen, die das Holz durch die Luft aus dem Wald transportieren. Im Spreewald werden sie eingesetzt.

»Wir haben noch Rückepferde«, versichert Forstreferatsleiter Carsten Leßner. Es werden sogar wieder mehr, sagt er. Doch Pferde müssen auch am Wochenende gefüttert werden. Die Maschine werde einfach abgestellt.

Dennoch vermeidet Leßner so wie Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD), mehr Personal zu fordern und eine konkrete Zahl benötigter Stellen zu nennen. Vogelsänger wehrt sich nicht einmal dagegen, Kompetenzen an die Landkreise abzugeben, wie es im Rahmen der geplanten Verwaltungsstrukturreform erwogen wird. Jede Reform habe Vor- und Nachteile, formuliert Vogelsänger sorgfältig. Er sagt aber immerhin: »Wir brauchen einen Einstellungskorridor, wir brauchen die Waldarbeiterausbildung in Kunsterspring und wir brauchen das Landeskompetenzzentrum Forst.«

Vogelsänger weiß: »Ohne einen gesunden Waldboden gibt es auch keinen gesunden Wald.«. Noch sind die Bäume insgesamt allerdings verblüffend gesund. Schäden werden zuförderst durch Begutachtung der Kronen erkannt. Entgegen den düsteren Erwartungen seien die märkischen Bäume »erstaunlich gut« durch die trockenen Sommer der vergangenen Jahre gekommen, erzählt Reinhard Kallweit vom Kompetenzzentrum. Da hatten die Fachleute mit Schlimmerem gerechnet. Das heiße aber nicht, dass nicht noch Spätfolgen auftreten können, warnt Kallweit. Hoffnung machen ihm ermutigende Ergebnisse des Pariser Klimagipfels. Denn die Wälder speichern zwar zwei Millionen Tonnen schädliches Kohlendioxid. Das ist aber ein Klacks angesichts von 15 Millionen Tonnen, die jährlich durch die Industriegesellschaft ausgestoßen werden.

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