Wilde Weiber

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Selbstbewusst sind die Frauen auf der Zeichnung von Angela Hampel, feuerrot flammt ihr Haar. Trotzig blicken sie drein, wobei man in der folgenden Erzählung von Kerstin Hensel auch ein unbändiges Gelächter von ihnen vernimmt. Vornehmlich bei Vollmod, denn da hatten sie sich um Mitternacht früher gern die Männer aus der Stadt geholt - diese parfümierten Erfolgstypen, »von der Liebe abgefallenen«. Und es war ein Tanzen und Wälzen gewesen. »Schräg über ihnen rotierte der Mond, bis die Frauen satt waren.« Allerdings satt hatten sie dieses Spiel auch irgendwann. Waren die Männer es nicht wert gewesen?

Die Erzählung »Das Licht von Zauche«, erstmals 1991 veröffentlicht, folgt im Bändchen von Kerstin Hensel und Angela Hampel dem kirschroten Vorsatzpapier und gibt ihm den Titel. Auch in den weiteren 13 Texten geht es ja um Lust und Frust, um Sehnsucht und Gier, mitunter um Demütigung und Unterwerfung. Begierden dürfen sich ausleben, doch oft folgt Enttäuschung. Kämpfe zwischen den Geschlechtern: Liebeswünsche verbinden sich mit Machtambitionen. Nicht, dass Kerstin Hensel verlässlich auf Seiten der Frauen stände. Sie versteht sie wohl, aber mag sie nicht alle, schützt ihr Ich, indem sie andere ihr Spiel treiben lässt.

Mir gefiel Ulla Poneffke, die nicht wie die meisten nach Steinpilzen und Pfifferlingen sucht, sondern das Ungewöhnliche will. Selbst in trockensten Sommern findet sie unter Buchen noch den Ledertäubling und bringt überhaupt Pilze nach Hause, die anderen dubios erscheinen - Samtfüßige Rüblinge, Reizker, Frostschnecklinge, ja sogar mit Drüslingen kennt sie sich aus. Aber dann macht sie im Wald eine Entdeckung ... Oder Agatha, die das Glück, nein eher das Pech hat, den stellvertretenden Geschäftsführer des Botanischen Gartens als Geliebten zu haben. Was für Phantasien werden geweckt, wenn ihre Wohnung dermaßen voller exotischer Gewächse ist? Berauschend geradezu, wie Paul und Anna in einem See voller Fische einander einen »Morgengruß« entbieten.

»Schnörkellos unaufgeregt berichten« diese Erzählungen »mit scheinbar einfachsten Mitteln vom Alltäglichen, das sich gleichnishaft ins Sonderbare, Phantastische, manchmal Magische und fast schon Mythische wendet«, schreibt Jens-Fietje Dwars in seinem Nachwort über Kerstin Hensel. An Angela Hampels Frauengestalten rühmt er das »tierhaft Archaische«, wie sie »pantherhaft geschmeidig« locken mit ihren »schmalen Augen«. Schön, dass er als Herausgeber der Edition Ornament die beiden in sächsischen Gefilden wurzelnden Künstlerinnen zusammenbrachte. Irmtraud Gutschke

Kerstin Hensel: Das Licht von Zauche. Erzählungen. Mit fünf Zeichnungen von Angela Hampel. Edition Ornament im Quartus Verlag. 87 S., br., 14,90 €.

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