nd-aktuell.de / 18.12.2015 / Kultur / Seite 15

Unheimlich, verstörend

Neues von Sunn O)))

Guido Speckmann

Inzwischen weiß der Verfasser von der Intensität eines Liveauftritts der Drone-Metal-Band Sunn O))) sein eigenes Lied zu singen. Als er aber im Winter 2006 ein Konzert der Band in der Berliner Volksbühne besuchte, wusste er noch nicht, worauf er sich einlässt - und sah sich gezwungen, den Gig vorzeitig zu verlassen. Die permanente und heftige Vibration, die den gesamten Konzertraum mitsamt der Bestuhlung erfasste, war auf Dauer schlicht nicht zu ertragen. Zudem befürchtete er, von der riesigen Lautsprecherwand, vor der die in Mönchskutten gekleideten Musiker in Zeitlupe und von Nebel umhüllt ihre hallenden Akkorde anschlugen, bleibende Gehörschäden davonzutragen. Es ging ihm nicht alleine so, noch weitere Besucher ergriffen die Flucht. Dennoch besorgte er sich nach dem denkwürdigen Konzert einige Alben der Band. Denn das atmosphärische, äußerst tiefe Gedröhne entfaltet durchaus auch seine erhaben-majestätischen Reize. Von dem Konzert in der Volksbühne gibt es übrigens ein Videomitschnitt im Internet, der auch heute noch unheimlich-verstörend wirkt.

Die Band aus Seattle hat sich seit ihrer Gründung 1998 eine beachtliche Fangemeinde erspielen können. Das liegt vor allem daran, dass sie einen ganz eigenen Sound entwickelt hat, der sie zum Aushängeschild des sogenannten Drone-Metals machte. Dieses extreme Subgenre zeichnet die Verquickung der Langsamkeit und Schwere des Dooms mit den lang anhaltenden, sich wiederholenden Tönen der Drone-Musik aus. Somit erinnert die Musik von Sunn O))), die sich nach dem Hersteller eines Gitarren- und Bassverstärkers benannt hat, zwar in erster Linie an Metal, doch Einfluss gefunden haben auch Elemente der Minimal Music in Anschluss an etwa La Monte Young. Ein Schlagzeug gibt es nicht, »Gesang« gelegentlich.

Das neue Album »Kannon« ist nach Kollaborationen mit anderen Sonderlingen wie Boris, Ulver oder Scott Walker das erste von der Gruppe allein aufgenommene Album seit fast sieben Jahren. Auf der mit 33 Minuten recht kurzen Platte vertreten ist erneut Attila Cshihar, Sänger der norwegischen Blackmetal-Band Mayhem. Auf dem ersten der drei lediglich durchnummerierten Tracks mischt er kehlige Laute in den typischen, aber im Vergleich zum Vorgänger »Monoliths & Dimensions« reduzierter instrumentierten Sunn O)))-Sound. Im zweiten Track bringt der Hörer seine Vokalakrobatik mit liturgischen Gesängen in Verbindung und im dritten vernimmt er etwas, das entfernt an das typischere Metalgegrunze erinnert. Gute neue Platte dieser einzigartigen Band.

Sunn O))): »Kannon« (Southern Lord / Soulfood)