Sieben Tage, sieben Nächte

  • Lesedauer: 3 Min.

Vom Theologen Paul Tillich stammt der schöne Satz: »Mensch sein heißt Utopien haben.« Thornton Wilder fand, es sei heutzutage »kaum etwas realistischer als Utopien«. Und der Filmkomiker Jerry Lewis sagte einmal, »manches, das am Morgen noch Utopie gewesen ist, ist zu Mittag bereits Science-Fiction und am Abend schon Wirklichkeit.«

Also alles gut in Utopia? Eher nicht. Und zugleich auch wieder doch. Denn es gehört einerseits zum Wesen der Utopie, dass sie nur dort auftaucht, wo es noch hinreichend Gründe dafür gibt, eine künftige Ordnung zu beschreiben - als erstrebenswerte Alternative zum bestehenden Jammertal, wenigstens aber als gedanklicher Fluchtpunkt. Uns aus dem Elend zu erlösen, müssen wir dann bekanntermaßen noch selber tun.

Andererseits ist die Utopie immer auch als das verstanden worden, was in der Vorstellung leider doch einen Schritt zu weit ausgreift, um realisiert werden zu können. Die Antiutopisten sagen dann: »Immer schön pragmatisch bleiben! Und überhaupt: Wer soll das alles bezahlen?« Und weil das so ist, wirkt die Utopie noch gleich ein bisschen mehr wie eine unerschöpfliche Energie, es immer noch besser machen zu wollen, schöner, leichter, friedlicher, angenehmer, solidarischer, effektiver, automatischer ... irgendwann vielleicht ja doch!

1516 schenkte Thomas Morus mit seinem »Utopia« der Welt eine neue Weise der Zukunftsaneignung, die mit dem Aberglauben an die Ankunft irgendeines Himmelsreiches brach. Die politische Utopie feiert im kommenden Jahr ihren 500. Geburtstag. Wir haben deshalb nach den Spuren vergangener Utopien gesucht, wir haben über das Utopische in der DDR, in Afrika und auf dem Mars nachgedacht, darüber, ob Alternativen zum Kapitalismus utopisch sind oder einfach bloß vernünftig. Bei unserer kleinen Reise durch das heutige Utopia entdeckten wir hinter jeder Ecke natürlich auch die kleine Schwester der Utopie - die Dystopie. Und weil die immer den negativen Ausgang der Geschichte zu erzählen weiß, trägt auch sie dazu bei, dass wir daran festhalten: »Mensch sein heißt Utopien haben.«

Oder um es mit den Worten der großartigen Band Dota und die Stadtpiraten zu sagen: »Es gibt Kaufhäuser und Wahlen, und im Wellenbad gibt’s Wellen / Es gibt Arbeitslosenzahlen, und im Stellenmarkt gibt’s Stellen / Es gibt Normen und Tarife und die Charts und die Show / Und Zölle und Patente und Geld gibt’s sowieso / Denn die Welt ist was Gemachtes, und du kriegst deine tägliche Kopie / Die Welt ist was Gemachtes, bis da und dahin aus Notwendigkeit, / und der Rest ist, der Rest ist Utopie.«

Was übrigens nicht so bleiben muss. Es geht voran. Denn Sie wissen ja: Heute ist morgen schon gestern. Zukunftsoptimistische Lektüre wünscht tos

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