Ein Amt hat sich erübrigt

  • Gudrun Janicke
  • Lesedauer: 2 Min.
Häufig war zu klären, wer rechtmäßiger Besitzer eines nach der Wende umstrittenen Grundstückes ist. Die zuständige Landesbehörde hat ihre Mission erfüllt, 2016 wird sie aufgelöst.

Nach 24 Jahren stellt das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Beginn des Jahres 2016 seine Arbeit ein. »Alle anstehenden Aufgaben sind nahezu erledigt«, sagt der für die Behörde zuständige Finanzminister Christian Görke (LINKE). Das Landesamt habe man 1991 für die damals völlig neue Frage der ungeklärten Eigentumsverhältnisse zur Unterstützung der Ämter in Städten und Kreisen aufgebaut.

In Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es das Amt noch. In Thüringen wurde es 2012 geschlossen. Die restliche Arbeit übernimmt die Landesfinanzdirektion.

»In vielen Orten waren die ungeklärten Eigentumsverhältnisse eines der größten Investitionshindernisse«, betonte Görke. Es ging um Fälle von 1933 bis 1945, von 1945 bis 1949 und bis 1990.

»Das war ein völlig neues Rechtsgebiet«, sagt Ex-Behördenchef Reinhard Bodenstab, der seit 1993 im Landesamt tätig war und seit 2014 im Finanzministerium arbeitet. 623 000 Anträge auf Rückübertragung seien in Brandenburg gestellt worden, mehr als in jedem anderen neuen Bundesland.

»Alle erwarteten eine schnelle Entscheidung, wollten wieder über ihr Alteigentum verfügen«, so Bodenstab. Der Grundsatz lautete »Rückgabe vor Entschädigung«. Doch es gab auch Fälle, bei denen Antragsteller keinen Rückgabeanspruch hatten. Etwa, wenn Bodenreformland zu DDR-Zeiten aufgegeben worden war.

»Ziel war ein sozialverträglicher Interessenausgleich«, sagt der frühere Leiter. Auch sollten Betroffene, die Grundstücke redlich erworben hatten, nicht vertrieben werden. Am Ende wurden 280 000 Anträge abgelehnt, in fast 33 000 Fällen Entschädigungen aus Bundesmitteln zugestanden.

Spektakulär waren Fälle aus der Nazizeit. So gehörten Tausende Grundstücke in Teltow und Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) einst Siedlungs- oder Parzellierungsgesellschaften im Besitz jüdischer Gesellschafter. Ein Rechtsstreit dauert seit Jahren an und ist noch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig. Auch hatte die sowjetische Militäradministration Grundbesitzer enteignet, die den Nazis tatsächlich oder vermeintlich nahe standen. Frühere Eigentümer verlangten später die Rückgabe, obwohl die Rechtslage dies nicht vorsah. Erst nachdem das Bundesverfassungsgericht die Praxis bestätigt hatte, kehrte Ruhe ein. So verzichtete die Familie von Ribbeck auf ihr einstiges Schloss im Havelland.

Zur Beurteilung der Fälle mussten stets Akten aus den Kreisarchiven und dem Landeshauptarchiv gesichtet werden. Unterlagen und Dokumente wie Erbscheine oder Kaufurkunden wurden angefordert. Wer den Bescheid nicht akzeptierte, klagte dagegen vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Von rund 13 500 eingereichten Klagen gingen rund 12 000 für das Land aus.

Von den 200 Mitarbeitern, die das Amt Mitte der 1990er Jahre hatte, sind noch zehn übrig. Sie wechseln ins Finanzministerium, beenden letzte Verfahren. dpa/nd

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