nd-aktuell.de / 30.12.2015 / Kultur / Seite 12

Denkbilder, nicht Denkmäler

Die Bildhauerin Christiane Rößler schuf Porträts von Persönlichkeiten der DDR

Klaus Hammer

Wir haben ihre Bücher gelesen, wir haben sie auf der Bühne und in der Öffentlichkeit erlebt - sie haben nicht nur unser Leben berührt, sondern ihm in vielerlei Hinsicht Sinn und Richtung gegeben.

Die Bildhauerin Christiane Rößler (Jahrgang 1972) stellt erstmals eine Auswahl ihrer seit 2009 entstandenen Porträts von Persönlichkeiten der Literatur, des Theaters, der Kunst und Wissenschaft aus der DDR vor, deren Andenken sie der Mit- und Nachwelt überliefern möchte. Es sollen »Denkbilder« sein, sagt sie, keine repräsentativen Denkmäler, wir sollen mit ihnen in einen geistigen Dialog eintreten, uns erinnern, was sie - für uns - geleistet haben, in ihren Gesichtszügen forschen, ihr Wesen ergründen, nach Entsprechungen dessen suchen, was den Porträtierten eingegeben, was verdeckt angelegt und was von ihnen sichtbar geworden ist.

Es sind Altersporträts - und uns ergreift dabei eine leise Wehmut, denn das einsame Altern, Unbeirrbarkeit wie Wandlungen, Brüchiges, Verletztes, Resigniertes, augenblicklich Befindliches liegen ihnen ebenso zugrunde wie die sprechende sinnliche Präsenz. Einige sind schon gestorben, nachdem sie noch der Bildhauerin Modell gesessen haben.

Christiane Rößler hat ihr Gegenüber durch private Begegnungen, Fotos, Zeichnungen, Tagebuchnotate, Korrespondenzen (sie werden auf Bild- und Texttafeln auch vorgestellt) kennengelernt, sie hat die Dargestellten befragt, sich in deren Werk vertieft. Aus der Bewunderung und Zuneigung der Jüngeren für die Älteren haben sich mitunter richtige Freundschaften entwickelt. »Mein Blick in ihre Augen, eine Brücke über mehr als zwei Generationen«, bekennt sie über Inge Keller, die große alte Dame der Schauspielkunst.

Die Porträtköpfe sind äußerst subtile, das Individuell-Charakteristische der Modelle präzise erfassende Bildnisse. Auf den ersten Blick wirken sie fast naturalistisch. Doch dann erkennt man, dass sie in kompaktes Volumen gebannte, spannungsvolle Kraft, dass sie Abbild und autonomes Werk in einem sind.

Von sinnlicher Präsenz und sensibler Porträthaftigkeit ist der wuchtige, aber keineswegs schwer wirkende Kopf des Regisseurs Friedo Solter, und doch wirkt der Blick unendlich fern, in sich gekehrt und unerreichbar. In seiner Ambivalenz und seinem Altern erscheint der Literatur- und Theaterwissenschaftler Werner Mittenzwei ausgesprochen nah und menschlich, mit seinem nach innen gerichteten, zugleich klar beobachtenden Blick aber auch distanziert, unerreichbar und geheimnisvoll. Die Spannung zwischen dem wachen, konzentrierten Blick und dem alternden zerfurchten Gesicht bestimmt das Porträt Volker Brauns. Wolfgang Kohlhase erscheint in leicht vorgebeugter greisenhafter Hagerkeit mit störrischen Augen und spöttisch verzogenem Mund, der Theatermann und Dialektiker Manfred Wekwerth in grüblerischer, distanzierter Unnahbarkeit.

jW-Ladengalerie, Torstr. 6 (Nähe Rosa-Luxemburg-Platz), Mitte. 30.12. und 4. bis 7.1. 11-18 Uhr, 8.1. 10-14 Uhr, 10.1. 13-18 Uhr. Katalog 20 €.