nd-aktuell.de / 04.01.2016 / Politik

Saudi-Arabien als Partner? »Aufschrei« nötig

Linkspartei und Grüne kritisieren Haltung der Bundesregierung gegenüber autoritärem Regime / Stopp von Waffenexporten verlangt / Sogar in der SPD kritische Töne

Berlin. Nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien werden in der Bundesrepublik erneut Forderungen nach einer Prüfung der Beziehungen zu dem autoritären Regime laut. Das Land galt bisher dem Westen als Stabilisator in der Region und wurde unter anderem mit Waffen unterstützt. Für die Lieferungen sorgte politisch unter anderem der SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Nun wird sogar aus seiner Partei der Ruf laut, die Praxis der Waffenexporte zu überprüfen.

»Ich plädiere dafür, bei den Waffenlieferungen sehr zurückhaltend und auch ablehnend zu sein«, sagte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Zurzeit müssen politische Interessen im Vordergrund stehen, wirtschaftliche Fragen haben dahinter zurückstehen.« Dem Deutschlandfunk sagte Mützenich am Montag, die SPD-Fraktion habe Gabriel immer wieder ermutigt, an einem Kurs festzuhalten, den Mützenich als restriktiv bezeichnet. Gabriel habe die in der Vergangenheit genehmigten Rüstungsexporte in den vergangenen Monaten mehrfach verbal infrage gestellt.

Das aber reicht der Opposition nicht. Zuvor hatte bereits der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir den Bundesaußenminister aufgefordert, »das unerträgliche Schweigen der Bundesregierung angesichts der Brutalität in Saudi-Arabien« zu beenden. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk sagte er in Richtung von SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier: »Wirtschaftsinteressen und Rüstungsexporte dürfen nicht länger wichtiger sein, als die menschenrechtliche Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU« Während die Bundesregierung innenpolitisch »hektischen Aktionismus« betreibe, paktiere sie gleichzeitig außenpolitisch mit Saudi-Arabien, »das für die ideologischen Grundlagen des IS verantwortlich ist«. Die jüngsten menschenverachtenden Hinrichtungen an Oppositionellen »sind IS-Methoden«, meinte Özdemir. »Wo bleibt der Aufschrei der Empörung? Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen?« Es sei höchste Zeit, dass sich der Bundestag mit Saudi-Arabien beschäftige, verlangte der Grünen-Politiker.

Seine Partei und die größte Oppositionsfraktion, die Linken, hatten immer wieder gegen Waffenexporte in das Regime Stellung bezogen und den sofortigen Stopp aller deutschen Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien gefordert. Die Bundesregierung hatte im ersten Halbjahr 2015 Rüstungsausfuhren im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt, darunter waren Exporte nach Saudi-Arabien im Wert von 178,7 Millionen Euro.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sagte nun, »die Freiheit verteidigt man nicht dadurch, dass man sie aufgibt, wenn es darauf ankommt«. Leider folge der neue »War on Terror« ihrer Meinung nach jedoch »genau der alten Maxime von Einflussnahme und Außenwirtschaftsförderung«: »strategischer Partner« und Rüstungskunde der Bundesrepublik unterstütze »nicht nur offen terroristische Gruppen wie die Al-Quaida nahe Al-Nusrah Front, im Innern ist er auch eine brutale Diktatur, die religiösen Fundamentalismus in alle Welt exportiert«.

Kipping sagte, es sei »Zeit für eine Außen- und Sicherheitspolitik, die sich tatsächlich an demokratischen Werten orientiert, anstatt nur davon zu reden. Wer den Terror bekämpfen will, darf keine Geschäfte mit seinen Förderern machen«.

Eine Massenhinrichtung politischer Gefangener in Saudi-Arabien hatte am Wochenende international Entsetzen und Proteste ausgelöst. Unter den 47 Getöteten war der oppositionelle schiitische Geistliche Nimr al-Nimr, was die Spannungen mit dem Iran verschärfte. nd/Agenturen