Gesteinsplanet oder Gasriese?

Neue Methode ermöglicht präzise Schwerkraftmessung in fernen Sonnensystemen. Von Martin Koch

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Frage, ob es auch außerhalb der Erde bewohnbare Planeten gibt, beschäftigt Wissenschaftler schon lange. Bisher wurden 1292 ferne Sonnensysteme entdeckt, in denen 2040 extrasolare Planeten um ein Zentralgestirn kreisen. Neuere Untersuchungen legen zudem nahe, dass ein Stern der Milchstraße durchschnittlich ein bis zwei Planeten hat. Der Nachweis dieser auch als Exoplaneten bezeichneten Himmelskörper erfolgt in der Regel indirekt, das heißt unter Anwendung der sogenannten Transitmethode. Dabei werden Helligkeitsschwankungen gemessen, die entstehen, wenn ein Planet vor einem fernen Stern vorüberzieht und bei diesem Durchgang, dem Transit, einen Teil des Sternenlichts blockiert. Aus den hierbei gemessenen Lichtwerten ergibt sich die Größe des Planeten, allerdings nur relativ zu jener des Sterns.

Offen bleibt die Frage, ob ein Exoplanet einem Gesteinsplaneten wie der Erde ähnelt und damit ein Kandidat für die Entwicklung von Leben ist, oder ob er sich wie ein Gasriese vom Typ Jupiter aufgebläht hat. Um dies feststellen zu können, muss man mehr über das Alter und die Entwicklung des Zentralgestirns wissen, zum Beispiel durch eine möglichst präzise Messung der Gravitation auf dessen Oberfläche. Funktioniert hat dies bisher aber nur bei relativ hellen Sternen, bei denen sich das Lichtsignal deutlich vom Hintergrundrauschen abhebt. Nun jedoch hat ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Wien und des Göttinger Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung eine Methode entwickelt, die es gestattet, die Schwerebeschleunigung auch bei lichtschwachen Sternen zu ermitteln (»Science Advances«, DOI: 10.1126/ sciadv.1500654).

Das neue Verfahren, das die Forscher kurz »Timescale Technique« nennen, misst minimale Helligkeitsschwankungen des Sternenlichts, die durch akustische Schwingungen im Sterninnern sowie konvektive Bewegungen veranlasst werden, die sich im Aufsteigen heißer und im Absinken kühler Gasblasen äußern. Letzteres sei auch im Alltag zu beobachten, erläutert Erstautor Thomas Kallinger von der Universität Wien: »Erhitzt man Wasser in einem Topf, dann steigt es vom Boden zur Oberfläche, wo die transportierte Wärme abgegeben wird. Die Flüssigkeit sinkt wieder ab, und der Zyklus beginnt erneut.«

Um solche im Innern eines Sterns verlaufenden Prozesse untersuchen zu können, wird dessen Helligkeit über einen langen Zeitraum hinweg in kurzen Abständen gemessen. Die dabei registrierten Werte - gegen die Zeit aufgetragen - ergeben eine Lichtkurve, die sich mit der Gravitation an der Sternoberfläche verändert. Genauer gesagt: Die Zeitskala der Helligkeitsvariationen ist der Schwerebeschleunigung indirekt proportional. Folglich sind Sterne mit kurzen Schwingungs- und Konvektionszeitskalen wie unsere Sonne durch eine hohe Oberflächengravitation gekennzeichnet. Im Laufe eines Sternenlebens dehnen sich jedoch die Zeitskalen. Der Stern wird größer und seine Oberflächengravitation sinkt. Dank dieser Zusammenhänge lässt sich die stellare Schwerebeschleunigung heute mit einer Genauigkeit von vier Prozent bestimmen (zuvor waren es lediglich 25 Prozent). Der berechnete Wert liefert überdies wichtige Informationen über die Größe der Planeten, die einen Stern umkreisen, sowie deren mögliche Bewohnbarkeit.

Material zur Anwendung der neuen Methode ist reichlich vorhanden. So könnte zum Beispiel aus den hochpräzisen Lichtkurven, die das Weltraumteleskop »Kepler« bei Hunderttausenden von Sternen aufgezeichnet hat, die jeweilige Oberflächengravitation berechnet werden. Aber auch bei der künftigen Suche nach Exoplaneten, wie sie im Rahmen der ESA-Mission »PLATO« und der NASA-Mission »TESS« geplant sind, dürfte sich das neue Verfahren als äußerst hilfreich erweisen.

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