nd-aktuell.de / 12.01.2016 / Kultur / Seite 16

Wider die Vereinzelung

Literatentreff in Lübeck

Zum ersten Lübecker Schriftstellertreffen nach dem Tod von Literaturnobelpreisträger Günter Grass werden am 22./23. Januar acht deutschsprachige Gegenwartsautoren in der traditionsreichen Hansestadt zusammenkommen. Erwartete werden Nora Bossong, Karen Köhler, Benjamin Lebert, Dagmar Leupold, Eva Menasse, Norbert Niemann, Tilman Spengler und Feridun Zaimoglu. Die Moderation übernimmt als Senior der 68-jährige Spengler, der seit dem Start 2005 dabei ist. Er wolle sich keinesfalls den Dichterhut von Grass auf den eigenen Schädel setzen, sondern verstehe sich lediglich als Ansprechpartner, sagte Spengler.

Grass hatte zu Beginn seines letzten Autorentreffens am 27. Februar 2015 vor den überraschten Schriftstellern Spengler gebeten, die Treffen weiterzuführen, falls er, Grass, eines Tages nicht mehr da sein werde. Grass hatte die jährlichen Autorentage 2005 begründet und dazu stets eingeladen. Sechs Wochen nach dem Treffen 2015 starb Grass am 13. April im Alter von 87 Jahren. Grass wollte mit den Zusammenkünften der Vereinzelung von Schriftstellern entgegenwirken und ein Forum für politische Initiativen schaffen.

Spengler betonte den besonderen Charakter der nicht-öffentlichen Arbeitstreffen im Günter-Grass-Haus. Das alte Bürgerhaus mit modernem Anbau in der Lübecker Altstadt ist ein Museum und zugleich Forschungsstätte; Grass hatte im obersten Stockwerk sein privates Sekretariat, wo man sich traf und auch jetzt wieder zusammen kommt. »In der Mediensprache würden man sagen «Wir haben ein Format gefunden, dass junge Autoren und Autoren mittleren Alters herrschaftsfrei ihre Texte vortragen und Anmerkungen machen können - streng und witzig»«, sagte Spengler. »Diesen Geist gilt es zu bewahren.« Politische Manifeste habe die Gruppe nicht unterschrieben und beabsichtige dies, wenn es nicht zum Äußersten komme, auch in Zukunft nicht.

Höhepunkt des zweitägigen Treffens ist am 23. Januar abends eine öffentliche Lesung in den Lübecker Kammerspielen. dpa/nd