»Solche Preise sind mir am liebsten«

Claudia Pechstein wird zum zweiten Mal nach 2002 nd-Sportlerin des Jahres - bis 2018 will sie weitermachen

  • Lesedauer: 5 Min.

Hallo Frau Pechstein, herzlichen Glückwunsch, die nd-Leser haben Sie zu ihrer Sportlerin des Jahres 2015 gewählt!
Vielen Dank, vor allem an Ihre Leser, ich freue mich wirklich sehr. Solche Publikumspreise sind mir immer am liebsten. Weil sie bedeuten, dass die Leute einfach hinter einem stehen. Das tut gut.

Dass es schon Ihr zweiter nd-Sportpreis nach 2002 ist, wissen Sie sicherlich?
Was? Nein, ehrlich, das habe ich nicht gewusst.

Ja, so steht es sogar in Ihrem Wikipedia-Eintrag. Aber es liegen sicher ein paar Siege und Ehrungen dazwischen. Als Sie damals nd-Sportlerin des Jahres 2002 wurden, hatten Sie gerade in Salt Lake City zwei Goldmedaillen gewonnen. Diesmal reichte eine Bronzemedaille bei der Einzelstrecken-WM in Heerenveen 2015. Sicherlich auch ein Beweis dafür, dass die Leser eine Persönlichkeit und eine Karriere würdigen.
Das könnte so sein. Umso mehr sage ich danke!

Die Einzelstrecken-WM 2016 ist auch Ihr großes Saisonziel für dieses Jahr, oder?
Genau. Ich habe vor ein paar Tagen meinen Start bei der Mehrkampf-EM in Minsk abgesagt, weil ich noch nicht so weit bin. Ich konzentriere mich auf die 5000 Meter bei der WM im russischen Kolomna. Dort will ich so gut wie möglich abschneiden. Wenn’s klappt, will ich von da auch gerne eine Medaille mitbringen. Aber das wollen einige andere auch. Mal sehen.

Woran liegt es, dass Sie noch nicht so weit sind? In anderen Wintern hatten Sie um diese Zeiten stets schon Podestplatzierungen im Weltcup erreicht.
Nun, ich bin diesen Winter schon Vierte geworden, da bin ich gar nicht unzufrieden. Allerdings hatten wir im Sommer eine ganz andere Vorbereitung als sonst. Der Verband hat sich entschlossen, die Höhentrainingslager ausfallen zu lassen. Die hatten wir sonst jeden Sommer, und mir haben sie immmer viel gebracht. Dieses Jahr ist es nun anders, aber ich bin ganz zuversichtlich: Bis zur WM sind es noch ein paar Tage. Und ich muss ja sorgsam mit meinen Ressourcen umgehen, schließlich habe ich mir einen weiteren Olympiastart 2018 vorgenommen.

Sollen die Spiele 2018 in Pyeongchang denn Ihr Schlusspunkt sein?
Ich habe das bewusst offen gelassen, schon aus psychologischen Gründen. Wenn ich gesund bleibe und bis 2018 eine gute Trainingsgruppe habe, sollte aber zumindest die Qualifikation für Olympia absolut möglich sein.

Sie wollen gerade aufbrechen zum Training. Was steht denn heute an?
Heute Vormittag war Krafttraining angesagt, jetzt geht’s aufs Eis.

Macht Ihnen Eislaufen eigentlich noch Freude nach all den Jahren?
Gegenfrage: Gehen Sie jeden Tag voller Freude ins Büro? Na? Sehen Sie, so ist es bei mir auch! Manchmal habe ich mehr Spaß, manchmal weniger. Aber wahr ist doch: Jeden Kilometer, den ich nicht trainiere, den trainieren andere mehr als ich.

Die Frage zielte eher darauf ab, ob Sie ab und an auch noch Freude empfinden - nach fast vier Jahrzehnten täglichen Trainierens.
Die habe ich noch, keine Sorge! Die Freude an der Sache gehört immer dazu, ohne das sollte man wirklich aufhören. Und ich gehe immer noch gern aufs Eis.

Sie haben eine leidvolle Geschichte von Dopinganschuldigungen hinter sich. Mittlerweile ist medizinisch geklärt, dass Sie zu Unrecht verdächtigt wurden und die auffälligen Blutwerte auf einer erblich bedingten Blutanomalie beruhen. Wie ist der Stand Ihrer Klage gegen den Internationalen Eislaufverband ISU?
Das Oberlandesgericht München hat meine Schadensersatzklage gegen den Weltverband ISU zugelassen. Wenn der Bundesgerichtshof dieses Urteil am 8. März bestätigt, dann wird in München endlich in der Sache verhandelt und der ganze Fall noch einmal neu aufgerollt.

Würden Sie sich erst mit diesem Urteil rehabilitiert fühlen?
Nein, das ist bereits der Fall. Ich bin ja offiziell rehabilitiert worden, vom Deutschen Olympischen Sportbund in Person von Präsident Alfons Hörmann. Er hat öffentlich erklärt, dass ich Opfer und nicht Täter bin. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Aber auch der Kampf gegen die ISU geht weiter, schließlich sind das die einzigen, die bisher völlig ungeschoren aus der ganzen Angelegenheit hervorgegangen sind.

Ihr Kampf um den Beweis Ihrer Unschuld hat nicht nur Nerven und Geduld gekostet, sondern auch Geld. 2015 im Sommer kam es dann zu einer Crowdfunding-Aktion, damit Sie Ihre Anwaltskosten in Höhe von 70 000 Euro für den Prozess vor dem BGH bestreiten können …
Wissen Sie, ich habe alles verloren wegen dieser Geschichte. Ohne meinen wunderbaren Partner und all die guten Leute um mich herum hätte ich das alles nie so durchstehen können. Es gab damals eine Menge Leute, die mir nahelegten, Spenden zu sammeln. Also tat ich es. Und wie schnell die Summe zusammengekommen ist, war einmalig. Ich hab den Leuten versprochen, dass ich das Geld zurückzahle, sollte ich das BGH-Verfahren gewinnen und die ISU somit die Kosten übernehmen muss. Doch viele haben geschrieben, sie würden auf eine Rückzahlung verzichten. Ich solle das Geld behalten oder für einen guten Zweck einsetzen. Wie viel Unterstützung ich da von den Leuten erfahren habe, war großartig. Ich weiß, dass auch nd-Leser unter den Spendern waren, deswegen sage ich hier gerne noch einmal danke. Danke an alle, die zu mir gehalten haben.

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