Das nötige Geld ist jetzt in Berlin vorhanden, auch wenn der Finanzminister mit einer Solidar-Benzinsteuer zusätzlich liebäugelt. Damit taucht die delikate Frage auf, was tun mit den zwölf Milliarden Euro an Haushaltsüberschuss? Jenseits der Debatte um ein paar Dutzend kriminelle Nordafrikaner und die Frage, ob es demnächst einen neuen Straftatbestand des »Obergrenzverletzers« geben wird, gerät die eigentliche Hauptfrage in den Hintergrund: Wie integriert man eine so differenzierte Gruppe Menschen?
Da ist zum einen die Mehrheit der neuen Migranten, die eine (Weiter-)Bildung einfordern. Eine nicht unbeträchtliche Minderheit pocht hingegen darauf, möglichst rasch Geld zu verdienen, um Angehörige zu versorgen. Ebenfalls eine relativ kleine Minderheit möchte sich selbstständig machen. Vielleicht gibt es schon bald überall syrische Restaurants oder Spezialitätenläden. Jedenfalls brauchen auch sie finanzielle Unterstützung und zudem eine qualifizierte Beratung.
War es beim Start der notwendigen Sprachkurse noch relativ leicht, die bereitwillige Mehrheit von einer auf raschen Verdienst oder gar auf ein Nichtstun-Dasein gepolten Minderheit zu trennen, so wird es bei Schritt zwei, der beruflichen Qualifizierung, schon erheblich schwieriger, den Bedürfnissen der Flüchtlinge gerecht zu werden. Der hartnäckige Sockel der Langzeit-Arbeitslosen hierzulande zeigt, wie schwer es vor allem Menschen mit einem Handicap haben, Anschluss an unsere Leistungsgesellschaft zu halten. Und Handicaps bringen Flüchtlinge zur Genüge mit: die weiterhin eingeschränkte deutsche Sprache, der anders geartete kulturelle Hintergrund, der es vor allem muslimischen Frauen erschwert, eine neue berufliche Rolle zu finden. Als Hindernis entpuppen sich auch die psychisch unbewältigten Folgen der schrecklichen Erlebnisse, die die meisten in ihrer Heimat erfahren haben.
Jene Flüchtlinge, die den berechtigten Wunsch haben, ohne größere Bildungsanstrengungen möglichst rasch Geld zu verdienen, müssen vor skrupellosen Arbeitgebern beschützt werden. Die industrielle Reservearmee des neuen Proletariats darf nicht zu Zwecken des Lohndumpings eingesetzt werden. Dazu ist eine erhöhte Zahl an Kontrollen etwa an Baustellen, Kneipen, Putzkolonnen und anderen typischen Einsatzorten erforderlich.
Dann gibt es viele, die zwar in ihrer Heimat eine Qualifikation erworben haben, die aber kaum den hiesigen Anforderungen genügt. Hier gilt es, adäquate Schnellkurse für die Erfordernisse des digitalen Zeitalters zu organisieren. Sinnvollerweise sollten solche Kurse auch offen für deutsche Arbeitslose sein - um zu verhindern, dass die Flüchtlinge in ein kulturelles Ghetto abdriften.
Aber eine viel größere Gruppe sollte man trotz der Anstrengungen im Inland nicht vergessen: jene, die ihre Flucht in einem der Lager in benachbarten Regionen Syriens vorläufig beendet haben. Sie brauchen dringender als alle anderen Unterstützung.
Wie sieht nun die Zukunft der Flüchtlinge aus? Nach einer Anerkennung steht ihnen im Prinzip der gesamte EU-Arbeitsmarkt offen, doch viele Flüchtlinge werden dann erfahren, dass die vielzitierte Willkommenskultur nicht unbedingt alle Arbeitgeber einschließt. Über Werkverträge und Leiharbeit werden manche versuchen, mit den bereitwilligen Neuankömmlingen den Mindestlohn zu unterlaufen.
Wie viele werden dennoch ohne Lohn und Brot bleiben? Eine Richtmarke für diese hypothetische Frage könnte die aktuelle Arbeitslosigkeit unter den Einwanderern aus der EU darstellen. Derzeit sind 14 Prozent aller Ausländer im Inland ohne Job - mithin doppelt so viele wie unter den deutschen Arbeitnehmern. Umgekehrt würde ein solches Szenario aber auch bedeuten, dass die große Mehrheit einen Job hätte. Um dieses Niveau zu erreichen, sind allerdings jetzt extra geschulte Job-Berater und -Vermittler einzusetzen - am besten aus den Reihen der Flüchtlinge selbst.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/998703.gezielte-unterstuetzung.html