nd-aktuell.de / 20.01.2016 / Berlin / Seite 10

»Trinken mit Linken statt Fechten mit Rechten!«

Schüler organisierten Protest gegen Burschenschaften

Wladek Flakin
In Dahlem wurden Schüler zu einem »Reichsgründungskommers« einer Burschenschaft eingeladen. sie kamen zum Haus der Veranstalter - um zu protestieren.

Auch viele Langzeitstudenten an Berlins Freier Universität (FU) können sich nicht daran erinnern, jemals einen Burschenschafter in seiner Uniform gesehen zu haben. Dabei ist der Campus in Dahlem von Häusern von Studentenverbindungen umgeben. Das »Haus Coburg« beispielsweise steht direkt hinter dem Chemiegebäude. Normalerweise werden Mitglieder von Burschenschaften nicht bemerkt. Doch am Montag Abend standen bis zu 70 Menschen gegenüber des »Haus Coburg« und machten deutlich, dass sie die Umtriebe der Verbindungen nicht dulden wollen. »Trinken mit Linken statt Fechten mit Rechten!« skandierten die Demonstranten. Wie kam das zustande?

Am Montag vergangener Woche verteilten zwei junge Männer vor dem Fichtenberg-Gymnasium in Steglitz. »Hey, hast du Lust auf eine Party?«, sprachen sie die Schülerinnen und Schüler an. Wie normale Oberschüler sollen sie nicht ausgesehen haben, sagen Schüler. »Ich dachte sie seien von irgendeinem Club«, berichtet Anton (17), der den Zettel ablehnte. Erst später fand er heraus, dass zu einem »Reichgründungskommers« in ein Burschenschaftshaus geladen wurde. »Ich war überrascht, dass nur wenige wussten, was eine Burschenschaft überhaupt ist«, so der Schüler.

Kurz darauf hält die Gruppe »KaGeRa« ihr wöchentliches Treffen ab. Unter dem Namen »Kampf gegen Rassismus« haben sich rund 15 Schüler zusammengeschlossen, um das Programm »Schule ohne Rassismus« umzusetzen und zu Schulstreiks zu mobilisieren. Sie informierten sich über Studentenverbindungen und wollen »irgendwie« auf die Verteilaktion antworten. Auf einem Vernetzungstreffen mit Schülern von verschiedenen Steglitzer Schulen wird die »Antirassistische Jugend Südwest« gegründet. Eine der ersten Handlung ist die Erstellung einer Facebook-Veranstaltung: Vor dem Haus Coburg soll gegen die »Reichsgründung« protestiert werden.

Es dauert nicht lange, bis Freunde der Burschenschafter darauf aufmerksam werden. Auf Facebook greift Andreas Galau, Landtagsabgeordneter der AfD in Brandenburg, die Schüler an. Doch auch studentische Gruppen der FU werden auf die Aktion aufmerksam und kündigen ihre Unterstützung an.

Am vergangenen Montagabend nahmen schließlich rund 70 junge Menschen an der Protestaktion gegen die Burschenschafter teil. Zwischen ihnen und dem Haus stehen mehrere Polizeiwagen. »Wir feiern nicht mit Nationalisten!« heißt es auf einem Transparent. »Das deutsche Reich steht für Nationalismus, Kolonialismus, Imperialismus«, liest eine Schülerin aus dem Aufruf vor.

Besucher des Kommers sieht man kaum - scheinbar sind sie früher gekommen. Im Haus ist es größtenteils dunkel - gelegentlich zieht ein Mann den Fenstervorhang zurück, um auf die Protestierenden zu schauen.

Junge Mitglieder einer Verbindung stehen vor dem Haus und es kommt zu merkwürdigen Diskussionen zwischen beiden Seiten. Die jungen Männer seien von einer unpolitischen Verbindung und finden das Haus Coburg auch zu rechts. Gleichzeitig mögen sie die strengen Hierarchien als »Füchse«. Viele geben an, wegen der billigen Mieten zu solchen Häusern gekommen zu sein. Erst danach passen sie sich der anachronistisch-rechten Kultur an.

Doch die Aktion war ein Erfolg. »Wir legen den Grundstein für eine antirassistische Jugendbewegung in Steglitz« sagt Resa (16) von der Antirassistischen Jugend Südwest. »In den letzten zehn Jahren gab es im Bezirk nichts«, berichtet die Aktivistin. Weniger als eine Woche nach Gründung des neuen Schülerbündnisses war schon diese erste Aktion.

»Oft hat man das Gefühl, nichts bewegen zu können«, sagt Zoe, die als 18-Jährige die Kundgebung anmelden konnte. »Deswegen bin ich glücklich, dass wir als Schüler etwas bewegen konnten. Einige der Burschenschafter sind zu uns rübergekommen, und vielleicht konnten wir sie ein wenig überzeugen.« Schüler, die sich in die Veranstaltung eingeschlichen haben, berichteten von rund 40 Teilnehmern. Erst als diese linken Spitzel nicht das Deutschlandlied singen konnten, seien sie als Unterwanderer aufgefallen.