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Unten Links

Oh Du Schöne, oh Du Grausame. Du kannst vergehen und zerrinnen. Mensch kann dich verplempern, genießen, sparen, vergeuden, stoppen oder schlicht vergessen. In dieser anstrengenden Phase des Spätkapitalismus allerdings hat eine Deiner Eigenschaften die Überhand gewonnen. Es wurde zur Maxime erklärt, Dich zu kontrollieren, Dich einzuteilen, ja, Dich zu knechten. Oh Zeit, Du hast nichts mehr von Dein...

Simon Poelchau

Zwölf Euro Glaubwürdigkeit

Es ist zu bezweifeln, ob Arbeitsminister Hubertus Heil Worten Taten folgen lässt und den Mindestlohn auf zwölf Euro anhebt. Aber liefert die SPD diesmal nicht, verliert sie weiter an Glaubwürdigkeit und rutscht vielleicht selber unter zwölf – Prozent.

Uwe Kalbe

Faule Tricks zur Flüchtlingsabwehr

Die EU will die Balkanroute für Flüchtlinge zuverlässig schließen. Doch bereits das Mittelmeer soll unpassierbar sein, wie das Vorgehen gegen Seenotretter erneut zeigt.

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Folke Havekost, Hamburg

Justizversagen

Der 93-jährige Bruno D. wurde wegen Mitverantwortung für Morde an Häftlingen im KZ Stutthof zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Richterin kritisierte das Versagen der deutschen Justiz bei der Aufarbeitung der Naziverbrechen.

Susann Witt-Stahl

Unverzichtbare »Rädchen in der Mordmaschinerie«

Seit der Verurteilung des SS-Hilfsfreiwilligen John Demjanjuk 2011 gilt die Bestrafung einfacher KZ-Wächter ohne Nachweis eigener Taten als möglich. Derzeit laufen noch 14 Ermittlungsverfahren.

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Kurt Stenger

Eine Bande als Konzernvorstand

Allmählich kommt Licht ins Dunkel des Wirecard-Bilanzskandals. Laut den Ermittlern hat der Vorstand über Jahre hinweg selbst die Fälschungen angeordnet. Ein Milliardenschaden droht.

Rudolf Stumberger, München

Wirecards »regionale Wurzeln«

In München war man lange Zeit stolz darauf, den Börsenaufsteiger Wirecard zu beheimaten, der zum Global Player wurde. Bayerische Politiker ließen für die Finanzfirma die eigenen Kontakte spielen.

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Daniel Lücking

Social-Media-Chef mit Rechtsdrall

Im neuesten rechtsradikalen Verdachtsfall bei der Bundeswehr ist der Protagonist ein wichtiger PR-Verantwortlicher der Truppe. Einem Berichts des ARD-Magazins Panorama zufolge sympathisiert Marcel Bohnert, ehemals »Head of Social Media«, öffentlich mit Rechtsradikalen.

Sebastian Weiermann

Keine Aufklärung, bis heute

Ursachen für die Katastrophe auf der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg waren Fehlplanung und Ignoranz evidenter Risiken. Die juristische Aufarbeitung endete ohne Schuldspruch. Unser Autor war vor zehn Jahren auf der Parade.

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Peter Nowak

Unbegründete Razzia

Nach einer Razzia gegen linke Projekte wurde auch gegen den Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger ermittelt. Bei ihm wurden Datenträger mit Material über die KSK-Streitkräfte beschlagnahmt.

Markus Drescher

Neues Bundeswehrangebot

Die Verteidigungsministerin hat sich einen neuen Freiwilligendienst ausgedacht. Dessen Nutzen erschließt sich weder zivilgesellschaftlichen Akteuren noch der Opposition.

Stefan Otto

Alle zurück in die Klassen

Die Schulen stehen derzeit vor vielen Ungewissheiten. Sie brauchen neue Hygieneregeln, um allen Schülern Präsenzunterricht zu ermöglichen. Aber auch neue pädagogische Konzepte und eine bessere digitale Ausstattung sind nötig.

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Streit um EU-Haushalt

Äußerst mühevoll haben die EU-Staats- und Regierungschefs ein Milliardenpaket zur Finanzierung der EU und des Kampfs gegen die Coronakrise geschnürt. Nun schaltet sich das Europaparlament ein.

Wolf H. Wagner, Florenz

Lega unter Verdacht

Kurz vor den Regionalwahlen im Süden gerät die rechtsnationale Lega unter Druck. Geldwäsche und Bilanzfälschung heißen die Vorwürfe gegen die Partei von Italiens Ex-Innenminister Matteo Salvini.

Dieter Reinisch

Wendehals berät Downing Street 10

Vom linken zum rechten Rand gewanderte Ex-Trotzkisten in Großbritannien unterfüttern heute ideologisch die Konzepte der Brexit-Populisten und beraten Spitzenpolitiker von Konservativen und Nationalisten.

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Stefan Schocher, Wien

Abrechnung mit dem Ex

Bei seinem Amtsantritt sagte der damalige Präsident Petro Poroschenko Korruption und Oligarchenherrschaft in der Ukraine den Kampf an. Nun steht der Oligarch selber vor Gericht. Sein Anwalt spricht von Justizwillkür.

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Markus Drescher

Uniformierte Sandsackträger

Die Bundeswehr hat viele Probleme. Ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft: Personalmangel, fehlende oder fehlerhafte Ausrüstung, nicht einsatzbereite oder fehlende Fahrzeuge, ineffektive Strukturen... Allein die jährliche Mängelliste des Wehrbeauftragten ist seit geraumer Zeit sehr lang. Daran wird auch der von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ersonnene »Freiwillige Wehrdienst i...

Martin Ling

Grundeinkommen für die Ärmsten

Es wäre ein großer Wurf: Ein auf sechs Monate befristetes Grundeinkommen für die Ärmsten der Armen dieser Welt. Das sind 2,7 Milliarden der 7,8 Milliarden Menschen, die sich derzeit auf dem Globus tummeln. Der Vorschlag kommt von der UN-Entwicklungsagentur UNDP unter ihrem derzeitigen deutschen Chef Achim Steiner, der schon als Chef des UN-Umweltprogramms UNEP immer über den deutschen Tellerrand g...

Peter Steiniger

Vorspiel auf die Zahltage

Nach der zum historischen Moment hochgejubelten mühsamen Einigung der EU-Regierungschefs auf Haushalt und Hilfsprogramm schlägt nun die Stunde der Parlamente. Denn bevor der Rubel rollt, müssen diese erst grünes Licht für schwarze und rote Zahlen geben. Allen voran das EU-Parlament. Es hat mittlerweile ja wohl auch etwas zu sagen, und in einer von links bis rechts getragenen Resolution sagt es ers...

Fabian Hillebrand

Sturmgewehrpolo

Gefährlich und gefährdet: Ein Ehepaar hat mit Sturmgewehren einer Black Lives Matter Demonstranten gedroht. Die Staatsanwaltschaft hat nun Ermittlungen aufgenommen. Mit den McCloskeys steht das weiße Amerika vor Gericht.

Elena Balthesen

Das scheinbar Unmögliche tun

Der Kohleausstieg 2038 ist eine Niederlage für die Klimabewegung. Fridays for Future muss Politiker*innen klarmachen: Es reicht nicht, es ein bisschen besser zu machen. Wir müssen das scheinbar Unmögliche tun, schreibt Elena Balthesen.

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Marie Frank

Queer und radikal gegen das Kapital

Der CSD steht wegen seiner kommerziellen Ausrichtung schon lange in der Kritik. Nicht wenige finden es heuchlerisch, dass kapitalistische Großkonzerne oder Unterdrückungsapparate mit Wagen vertreten sind. Zum Glück gibt es in Berlin eine Vielzahl anderer queerer Strukturen.

Marie Hecht

»Es ist alles sehr viel politischer in diesem Jahr«

Der Berliner Christopher Street Day findet in diesem Jahr weitestgehend digital statt. Dana Wetzel, Vorständin des Berliner CSD e.V., erklärt im Interview die Gründe. Und sie verspricht: Es wird eine Veranstaltung für CSD für Aktivist*innen.

Tomas Morgenstern

Nie wieder »Rosa Winkel«

Lange wurden sie beim offiziellen Gedenken für die NS-Opfer übergangen, bestenfalls bei verfolgten Minderheiten erwähnt - doch ab 1933 gingen SS und Gestapo auch gegen Homosexuelle vor, viele starben in Konzentrationslagern.

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Rainer Rutz

Gesünder ballern

Mit Saft, Sekt und Schüttelreimen wurde am Donnerstag in Steglitz-Zehlendorf das Richtfest für eine neue Schießanlage der Polizei gefeiert. Ab nächstem Jahr soll hier trainiert werden.

Nicolas Šustr

Lautsprecher der Bewegung

Einen Gegenpol zur Lobbymacht der Immobilienbranche sollen Berliner Initiativen mit einem neuen Forum bekommen. Das sei ein »Beitrag zur Demokratisierung der Verhältnisse«.

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Ida Petrat, Raddusch

Akademie des Strukturwandels

Wer im ländlichen Spreewald eine Idee für ein nachhaltiges regionales Projekt umsetzen möchte, kann sich an die Spreeakademie wenden. Hier sucht man nach Perspektiven für die Zeit nach dem Braunkohleausstieg in der Lausitz.

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Florian Schmid

Blutende Augäpfel

Eigentlich hätte es ein Renner werden müssen: Mit »Sloborn« läuft eine Serie über den Ausbruch einer Pandemie an einem Nordseetourismus-Hotspot an. Klingt fast wie bestellt für die Ferienkrisen- und Coronazeit. Im öffentlich-rechtlichen Opus auf der fiktiven, Titel gebenden Nordseeinsel Sloborn bricht die tödliche Taubengrippe aus, die zuvor schon Asien und Lateinamerika heimgesucht hat und nun au...

Felix Bartels

Erfolg als Scheitern

Es stand ja Schlimmes zu befürchten. Vor 16 Jahren hatte Gavin O’Connor schon einmal jenen »Mighty-Ducks«-Typus des Sportdramas bedient, demzufolge eine erfolglose Mannschaft von einem Coach übernommen und zum höchsten Sieg geführt wird: »The Miracle« (2004) blieb in jeder Hinsicht belanglos, sieht man von der emotiven Komponente ab, dass die so oft von den Sowjets gedemütigte amerikanische Seele ...

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Robert D. Meyer

Wenn der rechte Terror niemals endet

Der Rechtsterrorist Stephan B. wollte nicht nur möglichst viele Menschen töten. Sein antisemitischer Terroranschlag sollte weit über die eigentliche Tat hinaus wirken. Dafür setzt er gezielt auf die Techniken und Logiken der modernen Mediengesellschaft.

Martin Stolzenau

Ein Spion Gottes

Dieses Jahr starb kurz vor seinem 90. Geburtstag Rolf Hochhuth, einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit. Sein Lebensthema war die Aufarbeitung der NS-Verbrechen der Nazis. Sein Erstlings- und Enthüllungswerk »Der Stellvertreter«, das er mit 26 Jahren schrieb, löste im kirchlich-konservativen Lager einen Sturm der Entrüstung aus. Erwin Piscator hat das Stück 1963 in der ...

Tom Mustroph

Kein sicherer Boden, nirgends

Der Gropius-Bau scheint derzeit ein Haus der Wunden und des Heilens. Im großen Lichthof ist noch immer das Endprodukt der Performance »Guernica in Sand« des taiwanesischen Künstler Lee Mingwei zu sehen. Der Marmorfußboden ist mit farbigem Sand bedeckt, den der Künstler dort in der rituellen Praxis der tibetanischen Sandmandalas verteilte. Er nahm Picassos »Guernica« zum Anlass, um die Wunden, die ...

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Ralf Fischer

Hessische Zustände

Der Rapper Haftbefehl schießt sich auf einem Provinzbahnhof nahe Frankfurt/Main ins Bein und die Presse dreht durch. Eins ist klar: der Vorfall ist für die Lokalzeitungen peinlicher als für Haftbefehl selbst.

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Haidy Damm

Gesetzentwurf gegen Ausbeutung vorgelegt

Das Arbeitsministerium hat einen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen in der Schlachtindustrie vorgelegt. Die Branche bereitet sich offensichtlich durch Ausgründungen vor.

Hermannus Pfeiffer

Kreuzfahrer stechen wieder in See

Kein Buffet, keine Poolpartys und vor allem keine Landgänge: Die ersten Kreuzfahrten nach dem Corona-Shutdown werden vermutlich langweilig werden. Doch für Umwelt und Zielorte ist das besser - sie litten unter »Overtourism«.

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Frank Thomas, Potsdam

Siegerehrung statt Schultüte

Es waren keine leichten Wochen für Familienvater Ronald Rauhe. Eigentlich sollte seine Karriere 2020 zu Ende gehen. Nach der Verschiebung der Sommerspiele auf 2021 hat er sich anders entschieden.

Felix Lill

Die Vielfalt wird verschoben

An diesem Freitag sollten die Olympischen Spiele in Tokio beginnen. Stattdessen schießen in Japans Hauptstadt die Infektionszahlen wieder in die Höhe. Von olympischer Vorfreude ist daher überhaupt nichts mehr zu spüren.