Risiko Privatautobahn
Gerichtsurteil: Firmenkonsortium bekommt vom Bund keinen Ausgleich für entgangene Mauteinnahmen
Lastwagen fahren immer, Tag und Nacht. Und wer über ein Stück Autobahn verfügt und von den dort rollenden Lkw Maut kassieren darf, der besitzt damit fast so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Das mögen sich drei Unternehmen gedacht haben, die mit der Bundesrepublik eine »Öffentliche-Private Partnerschaft« (ÖPP) zum Ausbau und Betrieb eines Abschnitts der A1 eingingen und dabei keinerlei finanzielles Risiko fürchteten. Dass sie aber doch ein solches zu tragen haben, bescheinigte ihnen am Dienstag das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Es wies in seinem Urteil die Forderung des Firmenkonsortiums A1 Mobil zurück, der Bund solle ihm für entgangene Maut 778 Millionen Euro zahlen.
Damit bestätigte das OLG ein Urteil des Landgerichts Hannover, das im September 2018 gegen den privaten Partner des Bundes ergangen war. Der Verbund aus dem Baukonzern Bilfinger, dem britischen Finanzinvestor John Laing und dem Bauunternehmen Bunte aus Papenburg im Emsland hatte von 2008 bis 2012 den 70 Kilometer langen Abschnitt der Autobahn 1 zwischen Hamburg und Bremen von vier auf sechs Spuren ausgebaut und die Verpflichtung übernommen, sich 30 Jahre lang um den Unterhalt der »Hansalinie« zu kümmern. Als Gegenleistung sollten die Investoren einen Teil der von Lkw-Betreibern zu zahlenden Mautgelder erhalten. Doch es fuhren weniger Brummis als erwartet, und die Mauteinnahmen waren niedriger als erhofft. Im Sommer 2017 geriet das Konsortium in Bedrängnis.
Daher wollten die drei Privaten wissen, wie weit die Partnerschaft seitens des Bundes geht. Und so wandten sie sich hilfesuchend ans Verkehrsministerium, dessen früherer Chef Alexander Dobrindt (CSU) stets für ÖPP-Modelle geschwärmt hatte. Aber Berlin wollte den Geldhahn nicht weiter öffnen.
Daraufhin verklagten die A1-Mobilisten den Bund auf einen Finanzausgleich. Doch schon das Landgericht in Hannover entschied: Mit dem ÖPP-Vertrag habe A1 Mobil »das Risiko eines Rückgangs des mautpflichtigen Verkehrs übernommen«. Die Investoren gingen in Berufung vor das OLG Celle, das nun konstatierte: Die erste Instanz in Hannover hat richtig entschieden. Das Konsortium habe »das Verkehrsmengenrisiko ausschließlich und unbegrenzt übernommen«, befanden die Richter.
Durch das Urteil dürften sich all jene bestätigt sehen, die vor allem im Infrastrukturbereich geschlossenen Öffentlich-Privaten Partnerschaften generell kritisch gegenüberstehen. Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, gibt zu bedenken, dass bereits fünf Jahre nach Fertigstellung der »Hansalinie« deren Fahrbahnbelag erneuert werden musste. Üblich sei das nach zehn Jahren. Offensichtlich habe die private Betreibergesellschaft beim Bau gespart. »Das zeigt, dass bei ÖPP-Projekten kurzfristige Renditeerwartungen der beteiligten Bauunternehmen, Banken und Versicherungen im Zentrum stehen und nicht das Gemeinwohl«, so der Politiker.
Ähnlich äußerte sich Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag: »Viel hat nicht gefehlt, und nach Diesel-Abgasskandal und Pkw-Maut-Desaster hätte auch die Autobahnprivatisierung die Steuerzahler Hunderte Millionen Euro gekostet«, sagte Korte gegenüber »nd«. Öffentlich-private Partnerschaften seien völlig unseriös und ein Irrweg, das habe das Verfahren um A1 Mobil deutlich gemacht. Die Bundesregierung müsse daraus lernen und ÖPP für die Zukunft konsequent ausschließen. Straßen gehörten zur öffentlichen Daseinsvorsorge und deshalb in die öffentliche Hand, betonte Korte. »Wir brauchen eine Renaissance des öffentlichen Eigentums.« Das Rechtsmittel der Revision gegen das Urteil hat das OLG nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung allerdings kann A1 Mobil aber noch eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof erheben.
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