- Politik
- Kohleausstiegsgesetz
»Kohleausstieg bringt wenig Klimaschutz zu hohen Kosten«
Bundestag billigt Gesetz für den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038
Berlin. Der Bundestag hat am Freitag den schrittweisen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 beschlossen. Das Parlament verabschiedete außerdem ein umstrittenes Gesetz, das Hilfen von 40 Milliarden Euro für die Kohleländer vorsieht. Nach dem Bundestag wollte am Freitag auch Bundesrat über die zentralen Gesetze zum Kohleausstieg entscheiden.
Die Abstimmung über das Gesetz zum Kohleausstieg fand per »Hammelsprung« statt. Das Bundestagspräsidium war sich zuvor nicht einig, ob es bei der vorherigen normalen Abstimmung eine Mehrheit für den Gesetzentwurf gegeben habe, sagte Sitzungsleiter Wolfgang Kubicki (FDP).
Die Strukturhilfen sollen in den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg beim Umbau der Wirtschaft sowie beim Ausbau der Infrastruktur helfen. Betreiber von Kohlekraftwerken sollen Milliardenentschädigungen für die vorzeitige Stilllegung ihrer Anlagen bekommen.
Vor anderthalb Jahren hatte eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission einen Kohleausstieg bis spätestens 2038 vorgeschlagen. Kohlekraftwerke werden zwar ohnehin nach und nach vom Netz genommen, aber Klimaziele machen einen schnelleren Ausstieg notwendig. Eigentlich wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen für die Kohleverstromung.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete den Kohleausstieg als historisches »Generationenprojekt«. Altmaier sagte im Bundestag, die Kohleverstromung werde bis spätestens 2038 rechtssicher, wirtschaftlich vernünftig und sozial verträglich beendet. »Das fossile Zeitalter in Deutschland geht mit dieser Entscheidung unwiderruflich zu Ende.«
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Klimapolitiker Matthias Miersch mahnte: »Ein solches gesellschaftspolitisches Großprojekt geht nur miteinander, nicht gegeneinander.« Er appellierte an alle Seiten, im Dialog zu bleiben.
»Schwarzer Tag« für das Klima
Scharfe Kritik kam dagegen von den Grünen und der Linken. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, der Ausstieg komme viel zu spät. Die Bundesregierung sei an entscheidenden Stellen vom Konzept der Kohlekommission abgewichen. Ein Ausstieg sei aus Gründen des Klimaschutzes bis 2030 möglich und nötig. Das Projekt der Koalition sei »zukunftsvergessen«. Der Linke-Energiepolitiker Lorenz Gösta Beutin sprach von einem »schwarzen Tag« für das Klima. Die Bundesregierung mache eine Politik für die Konzerne, breche aber das Pariser Klimaabkommen. Gösta Beutin sagte, es sei der Verdienst der Klimabewegung, dass es überhaupt zum Kohleausstieg komme.
Greenpeace-Aktivisten kletterten aus Protest gegen das geplante Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung auf das Dach des Reichstagsgebäudes. Unter dem Schriftzug »Dem deutschen Volke« brachten sie ein großes Transparent mit der Aufschrift »Eine Zukunft ohne Kohlekraft« an. Der Kohleausstieg könne und müsse schneller gehen. Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser nannte die Gesetze zum Kohleausstieg einen »historischen Fehler«.
Die Bundesregierung will in den Jahren 2026, 2029 und 2032 die Folgen des Kohleausstiegs auf die Versorgungssicherheit und die Entwicklung der Strompreise überprüfen. Untersucht werden soll auch, ob die Reduzierung der Kohleverstromung vorgezogen kann und damit der Kohleausstieg bis 2035 erfolgen kann.
Kohleausstieg bringt wenig Klimaschutz zu hohen Kosten
Nach Einschätzung der Energie-Expertin Claudia Kemfert bringt das nun beschlossene Kohleausstiegsgesetz »wenig Klimaschutz zu sehr hohen Kosten«. Die Kohlekonzerne hätten offenbar sehr gut verhandelt mit der Bundesregierung: »Für die Kohlekonzerne lohnt sich das Ganze wirklich sehr stark«, sagte die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag dem BR.
Viele Kohlekraftwerke sind nach Kemferts Worten nicht profitabel und erneuerbare Energien in der Herstellung schon jetzt billiger als Kohlestrom. Die vereinbarten hohen Entschädigungszahlungen für die Kohlekonzerne - mehr als vier Milliarden Euro - seien deshalb viel zu hoch.
In diesem Punkt habe man sich »leider nicht an die Empfehlungen der Kohlekommission gehalten«, kritisierte Kemfert. In den Verhandlungen hätten die Konzerne offenbar »alle Trümpfe in der Hand gehalten«, weil die Bundesregierung zu spät ins Handeln gekommen sei. Agenturen/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!