- Politik
- Koalitionsbildung in Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalts SPD ringt mit ihrer Basis
Nach den Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP wirbt die Landesspitze auf Regionalkonferenzen um die Gunst ihrer Mitglieder
Katja Pähle wirkte zufrieden, als sie am Montagabend gegen 21 Uhr den Schlossgartensalon in Merseburg verließ. »Es gibt ein großes Interesse, miteinander in den Austausch zu treten«, sagte die Fraktionschefin der SPD im Magdeburger Landtag. Gerade eben war die dritte von insgesamt fünf Regionalkonferenzen der Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt zu Ende gegangen. Auf diesen diskutiert die Partei- und Fraktionsspitze des Landes mit Mitgliedern über den mit CDU und FDP verhandelten Koalitionsvertrag – und wirbt letztlich um Zustimmung. »Natürlich gibt es auch Kritikpunkte«, räumt Pähle ein. Viele Genossen machten aber auch deutlich, dass sie mit dem Inhalt des Vertrages »sehr zufrieden sind«.
Nach der Landtagswahl vom 6. Juni, bei der die SPD mit 8,4 Prozent ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis eingefahren hatte, verständigte sie sich mit Konservativen und Liberalen auf eine schwarz-rot-gelbe Koalition – eine aus sozialdemokratischer Sicht eher ungeliebte Konstellation. Entsprechend bemüht sind die Verhandlungsführer, die Mitglieder auf den Regionalkonferenzen hinter sich zu bringen.
Denn ob die sogenannte Deutschland-Koalition wirklich zustande kommt, hängt nicht zuletzt an der SPD-Basis. Bis zum 3. September sind die Mitglieder aufgerufen, über den Koalitionsvertrag abzustimmen. Am 4. September will die Partei dann das Ergebnis des Mitgliederentscheids bekanntgeben.
Das Votum der Basis gilt als höchste Hürde auf dem Weg zur Koalition. Zwar befragt auch die CDU ihre Mitglieder, die FDP stimmt auf einem Parteitag am 10. September über den Beitritt in die Koalition ab. Doch die Sozialdemokraten dürften angesichts der Tatsache, dass bereits eine Koalition mit der CDU eine Ein-Stimmen-Mehrheit gehabt hätte und eine Zusammenarbeit mit der FDP rechnerisch gar nicht nötig gewesen wäre, die größten Bedenken haben. Nach den Gesprächen in Merseburg zeigte sich Pähle jedoch zuversichtlich: »Ich glaube, dass sich die Mehrheit dafür aussprechen wird.«
Allerdings gibt es über die mit CDU und FDP getroffenen Vereinbarungen bereits jetzt große Verärgerung. Besonders frustriert zeigte sich Ex-Landeschef Burkhard Lischka: »Der mit Abstand schlechteste Koalitionsvertrag, über den ich in 31 Jahren SPD-Mitgliedschaft jetzt abstimmen werde«, schrieb Lischka, der von 2016 bis 2020 die SPD in Sachsen-Anhalt anführte, jüngst in einer parteiinternen Facebook-Gruppe. Und, bezogen auf die Ressortverteilung: »Unsere politischen Gegner wird diese Amputation der SPD freuen.«
In der Tat: Bei der Aufteilung der Ministerien hat die SPD nach der verlorenen Landtagswahl die nächste herbe Niederlage kassiert. Sie hat das Wirtschaftsministerium an die CDU verloren, der bisherige Ressortleiter Armin Willingmann soll künftig das neu geordnete Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt übernehmen. Das Problem aus SPD-Sicht: Die Wirtschaftspolitik gehört zu den sozialdemokratischen Kernfeldern, im Wahlkampf hatte die SPD die Schaffung eines neuen Vergabegesetzes versprochen. Ein solches Gesetz, nach dem öffentliche Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden, hatte das Wirtschaftsministerium unter Leitung Willingmanns bereits in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegt. Nun wird sich wohl bald die CDU damit schmücken können.
Auch in weiteren Punkten besteht Diskussionsbedarf. Nach Ablauf der Koalitionsverhandlungen verschickte die sechsköpfige Lenkungsgruppe ein »nd« vorliegendes Schreiben, in dem die auf einem Parteitag im Juli beschlossenen »roten Linien« mit deren Umsetzung im Koalitionsvertrag verglichen werden. Das Ergebnis: zwiespältig. Einerseits heißt es darin, bis auf die Forderung, Sachsen-Anhalt solle sich an der Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen beteiligen, seien 18 von 19 Anliegen durch Regelungen im Koalitionsvertrag untersetzt. Andererseits: Die Forderungen wurden teilweise verwässert oder sind kaum noch wiederzuerkennen. Ein Beispiel: Eine der »roten Linien« war die Schaffung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes gewesen. Von einem solchen ist im Vertrag aber nichts mehr zu lesen. Nicht zuletzt deshalb kritisiert die Opposition, die Deutschland-Koalition setze eher auf Bewahrung denn auf Fortschritt.
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