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Schulen und Kitas am Limit
Die Sorge wächst, dass das Schul- und Vorschulsystem angesichts der Omikron-Welle kollabiert
Das erste Berliner Gesundheitsamt schmeißt bei der Kontaktnachverfolgung der Corona-Fälle an den Schulen und Kitas komplett hin: Wie das Gesundheitsamt Spandau am Montag mitgeteilt hat, werde »aufgrund der hohen Fallzahl« die Nachverfolgung »mit sofortiger Wirkung« eingestellt. Weiter heißt es in dem »nd« vorliegenden Rundschreiben an die Schul- und Kita-Leitungen des Bezirks: »Es wird durch Sie keine Kontaktliste mehr erstellt.« Und vor allem: Ausbruchsgeschehen in einer Klasse oder einer Kita-Gruppe »führen zu keiner veränderten Handlungsweise«.
Letzteres scheint aktuell an den Schulen ohnehin Usus zu sein. Obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz in den schulrelevanten Altersgruppen teilweise die 2000er-Marke gerissen hat, stehen nach dem Corona-Stufenplan der Bildungsverwaltung fast alle Berliner Schulen auf Stufe Grün und laufen damit im Regelbetrieb (»nd« berichtete).
So auch das Lessing-Gymnasium in Wedding. »Wir kommen an unsere Grenzen und können nur das leisten, was möglich ist«, heißt es auf der Homepage der offiziell im Normalmodus laufenden Schule. Wie die Schule auf ihrer Homepage mitteilt, entspreche die derzeitige Anzahl der Infektionen unter rund 740 Schülern mit 32 Fällen einer Inzidenz von über 4330. Kaum noch beherrschbar scheint die Lage allerdings an einer mit knapp 270 Jungen und Mädchen verhältnismäßig kleinen Grundschule im Neuköllner Norden. Hier sind nach nd-Informationen mittlerweile rund 80 Kinder, fast ein Drittel also, positiv auf das Virus getestet. Auch diese Schule steht auf Stufe Grün.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nennt Zahlen wie die aus der Neuköllner Grundschule am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung auf nd-Nachfrage »schlicht nicht korrekt« und verweist stattdessen auf eine »Durchschnittsinfektionsrate«. Auch ergebe sich aus den an den Schulen drei Mal wöchentlich vorgeschriebenen Schnelltests nur »eine Positivquote von rund 0,5 Prozent«, so Giffey. »Das bedeutet, dass wir auf der anderen Seite bei den Testergebnissen einen Anteil von über 99 Prozent Negativergebnisse haben.«
Das Haus von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) interpretiert die Zahlen offenkundig nicht ganz so optimistisch. So macht ein ebenfalls am Dienstag an alle Berliner Schulleitungen verschicktes Schreiben der Bildungsverwaltung deutlich, dass man sich durchaus dessen bewusst ist, dass angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen unter den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften ein effektives Kontaktnachverfolgungs-Management immer schwieriger zu stemmen sein könnte. »In Abwägung dessen, was Sie im Moment leisten, bitten wir Sie, den Aufwand für die Kontaktverfolgung in der Schule auf das absolut notwendige Maß zu bemessen«, wird den Schulleiterinnen und Schulleitern daher an dieser Stelle auch ans Herz gelegt.
Analog zu den Schulen droht derweil auch das Infektionsgeschehen an den Berliner Kitas völlig aus dem Ruder zu laufen. Von den alles in allem 2820 Kitas der Hauptstadt waren der Bildungsverwaltung zufolge - Stand Montag - 374 von Teil- oder Komplettschließungen betroffen. »Man merkt, dass die Omikron-Welle angekommen ist«, sagt Kerstin Schönherr-Faust vom Landesverbands sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin zu »nd«.
Die Leiterin einer Kita in Moabit berichtet, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen »verheizt« und von der Senatsverwaltung und den Gesundheitsämtern alleingelassen fühlten. Ob bei den Quarantäne- und Isolationsregeln oder der angekündigten Testpflicht für Kita-Kinder: »Es ärgert mich, dass Erzieherinnen und Erzieher überhaupt nicht mehr gefragt werden, welche Auswirkungen das alles auf die Kitas hat«, sagt Schönherr-Faust.
Beispiel Testpflicht: Zwar sollen ab voraussichtlich kommendem Montag alle Kinder dreimal die Woche mit einem sogenannten Lolli-Test auf das Virus getestet werden. Die Testung selbst soll aber »grundsätzlich zu Hause vorgenommen werden«, so die Bildungsverwaltung. Die Eltern müssen per Formular lediglich schriftlich bestätigen, dass ein Test durchgeführt wurde und dieser negativ ausgefallen ist. »Eine Pflicht ist das in meinen Augen nicht, sondern nur eine Empfehlung an die Eltern«, kritisiert Schönherr-Faust. Sie habe durchaus Verständnis dafür, dass Berlin den Betrieb der Kitas aufrechterhalten will. »Aber so, wie das zurzeit gemacht wird, wird es dazu führen, dass das ganze System kollabiert«, so die Moabiter Kita-Leiterin.
Die Bildungsverwaltung bereitet die Kitas in ihrem aktuellen Trägerschreiben dann auch schon auf einen »eingeschränkten Regelbetrieb« vor. Das heißt, dass die Kitas demnächst dafür Sorge zu tragen haben, »dass feste und stabile Gruppen gebildet werden«, sagt Sprecher Ralph Kotsch zu »nd«. Eine Beschränkung des Kita-Besuchs auf Kinder von Eltern in »systemrelevanten« Berufen wie im vergangenen Jahr sei indes nicht vorgesehen. »Die Liste mit entsprechenden Berufsgruppen wird es nicht mehr geben«, so Kotsch.
Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz drängt dabei darauf, dass die genauen Bedingungen für den »eingeschränkten Regelbetrieb« rasch kommuniziert werden. »Wir brauchen dringend eine rechtliche Regelung für die Umstellung der Berliner Kindertagesstätten auf den eingeschränkten Regelbetrieb in stabilen Kleingruppen«, sagt Ursula Schoen, Direktorin des Diakonischen Landesverbandes, der rund 470 Kitas in Berlin und Brandenburg betreibt. Grundsätzlich bergrüßt Schoen aber die angekündigten Schritte: »Zwar werden durch den Regelbetrieb in stabilen Kleingruppen die Betreuungszeiten für die Kinder verkürzt, aber aufgrund der hohen Infektionszahlen in den Berliner Kitas ist die Umstellung aktuell die einzige Möglichkeit, so viele Kitas wie möglich offen zu halten.«
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