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Leichen im Keller
In der Serie »The Rising« versucht eine junge Frau herauszufinden, wer sie ermordet hat, und schaut in die Abgründe einer Kleinstadtwelt
Die Serie »The Rising« beginnt wie fast jeder Krimi mit einer Leiche. Eine junge Frau wurde ermordet und ihr toter Körper treibt in einem See. Nur wird diese Leiche plötzlich lebendig, hustet verschlucktes Wasser aus und watet frierend durch den seichten See zum Ufer. Sie macht sich mit dem Motorrad auf den Weg nach Hause, spricht dort mit ihrer Mutter, die sie komplett zu ignorieren scheint, und erst da wird ihr klar, dass sie gar kein lebender Mensch mehr ist, sondern nur ein Echo, ein Geist oder was auch immer.
Was sich im ersten Moment nach einer etwas einfach gestrickten Mystery-Unterhaltung anhört, ist der Auftakt der furiosen britischen Serie »The Rising«, die bereits Anfang des Jahres im Berlinale-Serien-Wettbewerb zu sehen war und jetzt bei Sky anläuft. Die junge taffe Motocross-Fahrerin Neve Kelly (Clara Rugaard) hatte mit ihren Freunden am See gefeiert, was am Ende der Nacht mit ihr passiert ist, weiß sie aber nicht mehr. Nur dass sie ermordet wurde, jetzt durch die schottische Kleinstadt läuft, in der sie bisher lebte und dass niemand sie sehen kann. Bis ihr plötzlich die junge Alex (Nenda Neururer) begegnet, für die sie sichtbar ist und mit der sie sich anfreundet. Schließlich beginnen die beiden die Ereignisse der Mordnacht zu rekonstruieren.
Dabei fährt Neve mit ihrem Motocross-Bike durch die schottische Bilderbuchlandschaft und sucht der Reihe nach einzelnen Menschen auf, mit denen sie in der Mordnacht zu tun hatte, wodurch ein ganzes Kleinstadtpanorama aufgefächert wird. Es geht um ihren Ex-Freund, mit dem sie sich an jenem Abend stritt, um ihren alkoholkranken Vater, aber auch um ihre Mutter (Emily Taaffe), eine Künstlerin, die völlig zusammenbricht, als sie vom Tod ihrer Tochter erfährt. Neves Stiefgeschwister, enge Freunde, auch eine heimliche queere Romanze spielen dabei eine wichtige Rolle. Es handelt sich außerdem um die gescheiterten Geschäfte einer anderen Kleinstadt-Familie, um zerrüttete Ehen, Eifersuchtsdramen, tief sitzende Ressentiments gegen Familienangehörige und jede Menge vertane Lebenschancen. Dabei wartet dieses Kleinstadtmelodram mit einer dramaturgisch gut durchkomponierten Eskalationsschraube auf, die der Geschichte ungemein Spannung verleiht.
»The Rising« ist mitreißender Krimi, geheimnisvolle Mystery-Serie, hat aber auch Elemente gruseligen Horrors, wobei dieser eigenwillige Genre-Mix überraschend stimmig daherkommt. Das liegt vor allem auch daran, dass die achtteilige Serie ganz lebendig und sozialrealistisch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die familiären Strukturen und die gut gehüteten kleinbürgerlichen Geheimnisse der Menschen in Szene setzt. Denn in der beschaulichen schottischen Kleinstadt gibt es mehr Leichen im Keller, als es anfangs den Anschein hat.
»The Rising« erzählt aber auch sehr überzeugend von Trauerarbeit und von Traumatisierungen. Die coole, taffe Neve muss erst um ihre Erinnerungen kämpfen, wodurch die Ermittlungen gegen den Mörder, die sie und Alex unternehmen, auch jede Menge eigene Konflikte, Ängste, enttäuschte Hoffnungen und unerfülltes Begehren zutage fördern. Das alles wird recht flott und kurzweilig erzählt und setzt eine ganze ländliche Jugendclique gekonnt in Szene, die selbstbewusst und dabei recht stylisch um ihre Eigenständigkeit gegenüber der älteren Generation kämpft. Wobei es vor allem die Mädchen und Frauen der Kleinstadt sind, die gegen die Borniertheit der Männer und deren dummes Opfergehabe kämpfen, was dieser fantastischen Krimiserie auch ganz aktuellen politischen Charakter verleiht.
»The Rising« immer freitags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic, alle 8 Episoden auf Abruf über Sky Q und Sky Go.
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