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- Fußball-EM der Frauen
Kein Spiel für alle
Englands Fußballerinnen sind erfolgreich, aber gerade in ihrem Sport führt Diskriminierung zu fehlender Diversität
Fern Whelan hat sich in der Vorbereitung auf ihren neuen Job noch einmal die alten Teamfotos angeschaut. Ob in der Schule oder im Jugendfußball: Meist war sie die einzige schwarze Spielerin auf dem Bild. »Für mich war das damals normal, ich habe es nicht wirklich hinterfragt«, sagt die 33-Jährige, die vor zehn Jahren drei Länderspiele für England bestritten hat. »Heute ist die Lage anders, heute haben wir eine stärkere Stimme.«
Whelan arbeitet mittlerweile für die PFA, die Gewerkschaft der professionellen Fußballer in England und Wales, und möchte die Diversität im Fußball der Mädchen und Frauen erhöhen. Einer ihrer Termine während der aktuellen Europameisterschaft der Fußballerinnen in England führte sie zu einer Konferenz nach Manchester. Dort, im Nationalen Fußballmuseum, freuten sich die Gäste auch über den Erfolg der englischen Spielerinnen. Aber ihre Worte klangen weniger euphorisch. Während die Förderung des Fußballs der Frauen in England seit Jahren steigt, geht die Sichtbarkeit von schwarzen Nationalspielerinnen zurück. Bei der Weltmeisterschaft 2007 in China gehörten sechs schwarze Spielerinnen zum englischen Team. Nun, bei der heimischen EM sind es drei: Jessica Carter, Nikita Parris und Demi Stokes – eine prägende Rolle spielt keine von ihnen.
Dieses Verhältnis steht im Kontrast zum Fußball der Männer. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr gehörten elf schwarze Spieler zum englischen Team. Laut dem Netzwerk »Black Footballers Partnership« sind in der Premier League 43 Prozent der Spieler nicht weiß. In der Women’s Super League, der höchsten Spielklasse der Frauen, sind nur 9,7 Prozent der Spielerinnen schwarz oder haben, wie es in England heißt, einen »ethnisch diversen Hintergrund«.
»Junge Mädchen sehen fast niemanden, der so aussieht wie sie. Ihnen fehlen Heldinnen, denen sie nacheifern können«, schrieb die langjährige englische Nationalspielerin Anita Asante in einem Gastbeitrag für die britische Tageszeitung »Guardian«. »Das englische Scouting-System für Frauen hat nicht genügend Leute vor Ort. Es mangelt an Ressourcen und Einfallsreichtum, um an den richtigen Stellen zu suchen.«
Anita Asante erreichte die Leistungsebene vor gut zwanzig Jahren beim FC Arsenal in London. Die Strukturen waren noch nicht professionell. Sie schildert, dass die wichtigsten Frauenteams damals durchaus divers gewesen sind. Mit Einführung der Women’s Super League 2010 übernahm der Fußball der Frauen zunehmend die Fördermodelle aus der Premier League. So wurden beispielsweise Talentstützpunkte in Vororten der Großstädte oder in ländlichen Regionen etabliert. Familien mit niedrigem Einkommen können es sich weniger leisten, ihre Kinder ins Fußballinternat zu bringen. Einen Fahrservice bieten die Klubs im Fußball der Mädchen selten an.
Hinzu kommen »kulturelle Barrieren«, wie es Eartha Pond formuliert. Die Sportlehrerin hatte einst selbst professionell gespielt, unter anderem für Chelsea London, den FC Everton und Tottenham Hotspur. Inzwischen engagiert sie sich in der Lokalpolitik im Londoner Stadtteil Queen’s Park und berät den englischen Fußballverband FA bei der Frauenförderung. »Die Vereine und Verbände sollten behutsam mit den Familien sprechen«, sagt Pond. »Es ist nicht selbstverständlich, dass Eltern aus schwarzen Communities ihre Kinder wochenlang woanders übernachten lassen.«
Was zunächst harmlos klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Millionen Menschen aus den Karibik-Staaten, Westafrika und Südasien nach Großbritannien gekommen. Sie arbeiteten hart, wurden aber bei der Wohnungssuche, im Gesundheitswesen oder in der Bildung diskriminiert. Zwischen den 1970er und 1990er Jahren lernten sie Fußballstadien als Orte kennen, in denen die rechtsextreme National Front kräftige weiße Männer rekrutieren wollte. Und in denen die wenigen schwarzen Spieler mit Bananen beworfen und mit Affenlauten gedemütigt wurden.
Im neuen Jahrtausend wollten die Premier League und die FA das Vertrauen schwarzer Menschen zurückgewinnen, mit härteren Sanktionen gegen Rassismus und mit Prävention. In keinem anderen Land Europas ist die Zivilgesellschaft rund um den Fußball so verzweigt wie in Großbritannien. Die Netzwerke »Kick it Out« und »Show Racism the Red Card« werben für Aufklärung. Die »Football Black List« weist nach, dass die wenigen schwarzen Trainer schneller entlassen werden als ihre weißen Kollegen. Das »Black Collective of Media in Sport« dokumentiert die geringe Sichtbarkeit nicht-weißer Menschen in der Sportberichterstattung. Und die Gruppe der schwarzen und asiatischstämmigen Schiedsrichter betont, dass sich ihre Mitglieder von weißen Spielbeobachtern oft ungerecht bewertet fühlen.
Der offene Rassismus mag aus den oberen Ligen verschwunden sein – die strukturelle Benachteiligung bleibt bestehen. Die FA wollte sich damit lange nicht in eigenen Gremien auseinandersetzen, in denen in der Regel weiße Männer sitzen. Nach wiederkehrenden Debatten über Rassismus verwies sie auf die steigende Zahl schwarzer Nationalspieler oder lenkte die Aufmerksamkeit auf Vorbilder wie Hope Powell. Die frühere Nationalspielerin wurde in den Achtzigerjahren häufig rassistisch beleidigt. Powell wollte sich nicht unterkriegen lassen und übernahm 1998 als Trainerin das englische Nationalteam der Frauen. Sie blieb 15 Jahre im Amt und inspirierte viele Mädchen für Fußball.
Doch die Entwicklung verläuft nicht linear zum Besseren. 2017 ging die Nationalspielerin Eniola Aluko mit Vorwürfen gegen Mark Sampson an die Öffentlichkeit. Der Nachfolger von Hope Powell als Nationaltrainer habe Aluko rassistisch beleidigt. Es folgte eine lange Debatte in Medien, Fußball und Justiz. Aluko fühlte sich als Opfer von der FA nicht ausreichend unterstützt und zog sich wegen Beschimpfungen zeitweise aus den sozialen Medien zurück.
Fern Whelan, die für die Profivereinigung PFA arbeitet, möchte das Vertrauen mit konkreten Ideen zurückgewinnen. Sie konnte es nicht glauben, dass der englische Fußballverband vor der Europameisterschaft einen Werbespot mit ausschließlich weißen Spielerinnen verbreitete. Sie hofft, dass das Turnier auch für Stipendien, Mentorenprogramme und fußballferne Zielgruppen Auftrieb bringt. In England gibt es mehr Projekte als in Deutschland, Schweden oder den Niederlanden, deren Nationalteams der Fußballerinnen ebenfalls nicht die Vielfalt der Gesellschaften spiegeln. Dies schafft bei diesem Turnier in England mit 16 Teams nur die französische Auswahl wirklich.
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