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Zwei Jahrzehnte sind nicht genug
Die Initiative Women in Exile begeht ihren 20. Geburtstag mit einer internationalen Konferenz
Unkontrollierte Waldbrände, zunehmende Wasserknappheit und anhaltende Dürreperioden – die globalen Auswirkungen der Klimakrise sind nicht mehr zu leugnen. Doch Frauen in marginalisierten Gemeinschaften Kenias etwa treffen die Folgen der Krise mit doppelter Wucht. Gerade nomadische Hirt*innen lebten dort in kolonialen und postkolonialen Strukturen, ohne Zugang zu Bildung, erzählt Elizabeth Nassy Silakan.
Die Kenianerin ist eine von zahlreichen Referent*innen auf der am Sonntag in Berlin zu Ende gegangenen viertägigen Internationen Frauen*konferenz, die von der Initiative Women in Exile & Friends organisiert worden ist, einer in Potsdam und der Hauptstadt ansässigen Gruppe geflüchteter Frauen, in der auch solidarische Aktivist*innen ohne Fluchthintergrund mitarbeiten. Unter dem Motto »Breaking Borders to Build Bridges« (Grenzen sprengen und Brücken bauen) fanden seit Donnerstag Workshops, Lesungen und Podiumsdiskussionen statt.
Ob aus Kenia, Afghanistan oder Guatemala: Zur Konferenz in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Ostbahnhof trafen sich Aktivist*innen aus vielen Ländern, um sich über (post-)koloniale Strukturen und die Folgen der Klimakrise für den globalen Süden, aber auch die prägenden Schicksale geflüchteter Frauen auszutauschen.
Impact etwa, die Organisation von Elizabeth Nassy Silakan, setzt sich im Norden Kenias für die Rechte nomadischer Frauen ein, die besonders unter den Folgen der Klimakrise wie der Dürre leiden. »Unser Ziel ist es, Hirtinnen und ihren Kindern eine Perspektive jenseits ihrer gewohnten Strukturen zu ermöglichen«, sagt die Aktivistin. Impact betreibe Klimaschutz vor Ort und kläre auf. »Wir wollen die politische Situation ändern, sodass Frauen nicht zur Flucht getrieben werden.« Ihre Vision: ein Netzwerk für globale Gerechtigkeit.
Mit der Internationalen Frauen*konferenz in Berlin wurde zugleich das 20-jährige Bestehen von Women in Exile begangen. Die Initiative hatte sich 2002 in Brandenburg zusammengefunden, selbstorganisiert von Flüchtlingsfrauen, die für ihre Rechte in Deutschland kämpfen wollten. Seit 2011 ist die Frauengruppe als ehrenamtlicher Verein in Potsdam eingetragen, zugleich wurde die Gruppe Women in Exile & Friends aufgebaut.
Das Engagement der Aktivist*innen rund um Women in Exile ist weitreichend: Sie klären über die schwierigen Lebensbedingungen geflüchteter Frauen und Kinder in Deutschland auf, besuchen sogenannte Gemeinschaftsunterkünfte für geflüchtete Menschen und setzen sich für gleiche Rechte innerhalb einer Gesellschaft ein. Sie tauschen Erfahrungen aus, vernetzen sich, demonstrieren regelmäßig und unterstützen geflüchtete Frauen beim Empowerment, der Selbstermächtigung also. Einmal pro Jahr veranstalten die Aktivist*innen eine Sonderaktion, vergangenen Sommer etwa tourten die Frauenrechtler*innen mit dem Bus durch Deutschland. In diesem Jahr folgte nun die Frauen*konferenz.
Florence Sissako hat die Geburtsstunde von Women in Exile miterlebt. Sie hat selbst jahrelang als Asylwerberin in Deutschland gelebt, Residenzpflicht und Arbeitsverbot am eigenen Leib erfahren. »Damals habe ich festgestellt, dass ich nicht unter solchen Bedingungen leben will«, erzählt sie. »Darum haben wir uns, damals nur zu dritt oder zu viert, organisiert und Grenzen und Gesetze gebrochen.«
Dass daraus 20 Jahre später ein großes Netzwerk aus engagierten Aktivist*innen geworden ist, erfüllt Sissako mit Freude und Stolz. Heute lebt sie in den USA, wo sie nach wie vor Frauen im Exil besucht, ermutigt und über ihre Rechte aufklärt. Im Rahmen der Konferenz referierte Sissako in einem Workshop unter anderem über das Thema Solidarität. Denn: Was bedeutet Solidarität mit Geflüchteten eigentlich? Und wie kann man paternalistische Praktiken wie Bevormundung und Dominanz im Alltag erkennen und auflösen?
Karolina Lopez Barrera klärte in ihrem Workshop über die Situation von inhaftierten lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen und queeren Migrant*innen und Geflüchteten auf. »Ich habe selbst als trans Frau drei Jahre lang in einem geschlossenen Lager gelebt«, erzählt sie. 15 Kilometer von der mexikanischen Grenze entfernt bietet ihre Organisation »Mariposas Sin Fronteras« (Schmetterlinge ohne Grenzen) Geflüchteten in Tucson im US-Bundesstaat Arizona eine sichere, kostenlose Wohngemeinschaft. Zudem besucht die Organisation regelmäßig Menschen in Einwanderungsgefängnissen, damit diese den Anschluss nicht verlieren, sichert die Befriedigung von deren Grundbedürfnissen und bezahlt Strom-, Gas- oder Handyrechnungen – je nach Kapazität auch die Kaution.
Nicht alle geladenen Gäste konnten an der Internationalen Frauen*konferenz teilnehmen. So hatten Aktivist*innen aus Senegal und Kamerun kein Visum bekommen, was durchaus für großen Unmut unter den Teilnehmer*innen sorgte. »Es ist eine Schande, dass Frauen das Recht verweigert wird, an einer internationalen Konferenz teilzunehmen«, sagt etwa Marianne Ballé Moudoumbou. Die Diplomdolmetscherin und Dozentin an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, die am Donnerstag auch die Eröffnungsveranstaltung der Konferenz moderierte, erklärt, die verweigerten Visa stünden exemplarisch für die Notwendigkeit, Grenzen abzubauen. »Jeder Mensch sollte sich frei über Grenzen bewegen dürfen«, so Moudoumbou.
Für die Initiative Women in Exile zeige dieser Missstand vor allem eines noch einmal deutlich: »Unsere Arbeit ist noch lange nicht getan«, betont Florence Sissako. Nicht zuletzt die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot für Asylbewerber*innen müssten abgeschafft werden. Die Aktivistin sagt: »Wir hören erst auf, wenn sich alle Menschen auf globaler Ebene frei bewegen dürfen.«
Der Asterisk hinter »Frauen« dient hier als Verweis auf den Konstruktionscharakter von Geschlecht und soll verdeutlichen, dass sich der Begriff »Frau« auf alle Personen bezieht, die sich unter der Bezeichnung definieren, so definiert werden und/oder sich sichtbar gemacht sehen.
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