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Gespalten am Nationalfeiertag »Diada«
Schmusekurs der regierenden Republikanischen Linken Kataloniens gegenüber Madrid stößt auf Kritik
Eine feuchtwarme Glocke hängt schon am Sonntagmorgen über dem katalanischen El Perelló, als zum Nationalfeiertag am 11. September um 11 Uhr die katalanische Fahne am Rathaus gehisst wird. Das Dorf mit gut 3000 Bewohnern im Süden Kataloniens ist geschmückt, katalanische Fahnen hängen aus den Fenstern. Dass man in der Provinz Tarragona für die Unabhängigkeit kämpft, hat die Bevölkerung beim Referendum am 1. Oktober 2017 gezeigt. Bei einer Beteiligung von 70 Prozent stimmten 98 Prozent für die Loslösung von Spanien.
Überall finden sich hier Hinweise auf die bewegenden Vorgänge. »Jetzt ist es an der Zeit«, »Wir sind eine Republik« oder »Nicht vergessen, nicht vergeben« prangt es in großen Lettern am »Platz des 1. Oktober«. Gemeint ist, dass die spanische Regierung an diesem Tag ihre Sicherheitskräfte losließ, um mit Knüppeln und Gummigeschossen zu versuchen, eine Abstimmung zu verhindern. Das scheiterte an der Einheit und Geschlossenheit der Bewegung. Der gelang es, das Referendum trotz allem friedlich durchzusetzen. Zwei Millionen Menschen konnten abstimmen und sprachen sich zu mehr als 90 Prozent für die Unabhängigkeit aus.
Derzeit bestimmt jedoch Parteienstreit das Bild. Der Unmut an der Basis wächst gegenüber denen, die versprochen haben, den Bevölkerungswillen umsetzen. Der wurde bei den Parlamentswahlen im Februar 2021 bekräftigt, als 52 Prozent für Parteien stimmten, die klar für die Eigenständigkeit eintreten. Der Unmut richtet sich besonders gegen die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), die knapp stärkste Kraft wurde und auch in El Perelló regiert.
Der Frust drückt sich hier ebenfalls an Hauswänden aus. »Sie haben uns für nichts geschlagen – Wir sind keine Republik«. Von der Kritik, die der große »Katalanische Nationalkongress« (ANC) an der politischen Klasse übt, der auch in diesem Jahr zur Großdemonstration für die Unabhängigkeit aufruft, fühlt sich die ERC besonders angesprochen. ANC-Chefin Dolors Feliu konstatierte: »Wie nie zuvor ist klar, dass es die Bevölkerung sein wird, die die Unabhängigkeit umsetzt«. Die Parteien legten sich nicht fest. Den Dialog mit Spanien, den die ERC führen will, nannte sie eine »Kapitulation«. Da der ANC zur »Rückkehr« auf die Straßen aufruft, bleibt die ERC in diesem Jahr der ANC-Demonstration fern, zu der auch andere Organisationen aufrufen.
Zunächst hatte Regionalregierungschef Pere Aragonès seine Beteiligung abgesagt, ihm folgte die ERC-Spitze. In einem Brief an die Parteimitglieder sprach die ERC von einem angeblichen »Ausschluss«. Der Brief zeigt: Die Nerven liegen blank und die Partei fürchtet die Straße. Dass es in Perelló einen Umtrunk und ein gemeinsames Paella-Essen gibt, steht beispielhaft für die ERC-Politik, nicht auf Kampf und Mobilisierung zu setzen, sondern weiter auf einen fruchtlosen Dialog mit der spanischen Regierung.
Die antikapitalistische CUP und Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien/JxCat), die Formation von Exilpräsident Carles Puigdemont, halten die Kritik für berechtigt. Der neue JxCat-Chef Jordi Turull ermahnt den Koalitionspartner ERC. Zwei Jahre hatten die CUP und JxCat der ERC für den Dialog eingeräumt. »Wir haben ein Regierungsabkommen, um uns der Unabhängigkeit anzunähern. Wenn wir uns davon entfernen, müssen wir Entscheidungen treffen«, sagte Turull und stellt die Koalition in Frage.
Das Problem der ERC ist: Ein Dialog mit der Zentralregierung hat in den vergangenen eineinhalb Jahren nie wirklich begonnen; Madrid will zudem weder über eine Amnestie noch über das Selbstbestimmungsrecht reden. So meinen viele in Katalonien, dass die ERC der Regierung von Pedro Sánchez nur als Mehrheitsbeschaffer dient, im Gegenzug aber nichts umgesetzt bekommt. Nicht einmal die Repression wird gestoppt: So kann Exil-Präsident Puigdemont noch immer nicht in seine Heimat zurückkehren.
»Es wird immer schlimmer«, meint auch Jordi in Perelló. Er versteht die ERC nicht mehr, die er stets gewählt hat. Bei den Kommunalwahlen im Mai will er das nicht mehr tun. Dass das spanische Innenministerium gerade das Bespitzeln von katalanischen Jugendorganisationen über infiltrierte Polizisten gerechtfertigt hat und als Rechtfertigung noch dazu »Terrorismusbekämpfung« anführt, verdeutlicht die Unmöglichkeit eines Dialogs. Dass Spanien kein Interesse an einer Konfliktlösung habe, zeige auch die Bespitzelung von Aktivisten, Journalisten und Politikern mithilfe der Spionagesoftware Pegasus. Jordi, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, hat sich nach dem Hissen der Fahne im Dorf deshalb auf den Weg zur Großdemonstration nach Barcelona gemacht.
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