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Ein Billionenfonds fürs Klima

Ein Plan aus Barbados zeigt, wie sich die Mittel für den Kampf gegen die Erderwärmung und deren Folgen mobilisieren ließen

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 5 Min.

Früher war eine Million noch viel Geld. Dann wurde begonnen, mit Milliarden zu rechnen. Für das Klima ist aber auch das nur Kleingeld: Wenn es nicht gelingt, Billionen zu mobilisieren, dann lässt sich die Klimaerwärmung nicht stoppen, und die Länder können sich auch nicht an die Erwärmung anpassen. Geld war bei den UN-Klimaverhandlungen stets ein zentrales Thema – nur in der falschen Dimension. Noch immer wird über die 100 Milliarden Dollar pro Jahr gestritten, die die Industriestaaten im Jahr 2009 den Entwicklungsländern versprochen, aber nie geliefert haben. Bei der diesjährigen Konferenz in Scharm El-Scheikh hatte aber zumindest ein Land Vorschläge, wie man von Milliarden zu Billionen kommt: Barbados. Die Premierministerin des karibischen Inselstaates mit knapp 300 000 Einwohnern, Mia Mottley, sagte zu Beginn des UN-Gipfels: »Wir glauben, einen Plan zu haben, der fünf Billionen Dollar freimacht.«

Die Bridgetown-Initiative, benannt nach der Hauptstadt von Barbados, besteht aus drei Elementen: Geld für den Ausbau der Erneuerbaren, Geld für die Anpassung an die Erwärmung und Geld für Verluste und Schäden infolge der Klimakrise. Der Plan hat zudem eine realistische Chance, umgesetzt zu werden, da er zwei entscheidende Eigenschaften hat: Er beruht nicht darauf, dass die Steuerzahler in den Industriestaaten immer mehr Geld in die Entwicklungsländer überweisen, und er verspricht tatsächlich, die erforderlichen Billionen zu liefern.

Sonderziehungsrechte

Sonderziehungsrechte (SDRs) können zu einem niedrigen Zinssatz gegen die Währungsreserven der Mitglieder des Internationalen Währungsfonds (IWF) getauscht werden, also gegen echte Währungen. Sie ermöglichen es den Ländern, einen sehr günstigen Kredit aufzunehmen. Der Umtauschkurs wird anhand eines Währungskorbs aus US-Dollar, Euro, Yuan, Yen und britischem Pfund ermittelt. Die derzeitigen SDRs haben einen Wert von 943 Milliarden Dollar. Geschaffen werden die Sonderziehungsrechte durch Beschluss der IWF-Länder und dann an diese gemäß deren »IWF-Quote« verteilt. Große und reiche Länder bekommen viele SDRs, kleine und arme Länder wenige.Falls mit neu geschaffenen SDRs der vorgeschlagene Klimafonds kapitalisiert würde, müsste dieser die SDRs anschließend an Zentralbanken verkaufen, um an »echtes« Geld zu kommen. De facto bekäme der Fonds so einen Kredit zum Zinssatz von aktuell 2,8 Prozent. Dieses Zentralbankgeld könnte er dann mit geringem Zinsaufschlag an Klimaprojekte verleihen. Wenn er sich dann weiteres Geld von Banken oder Anlegern leiht, indem er Schuldscheine als Sicherheit hinterlegt, würde er zusätzlich privates Kapital, also die Ersparnisse der Welt, für den Klimaschutz mobilisieren. cmi

Die Agenda wurde von einem angesehenen Ökonomen mit Kenntnissen des globalen Finanzsystems entwickelt: Avinash Persaud. Er geht davon aus, dass Investitionen in die Senkung der Emissionen potenziell gewinnbringend sind. Man produziert mit Wind und Sonne Strom und verkauft diesen dann. Der Gewinn hängt primär von den Kapitalkosten ab: »Bei einem Zinssatz von vier Prozent ist die Finanzierung kein Problem, da ist das regulatorische Umfeld wichtiger. Aber bei 15 Prozent Zinsen spielt das regulatorische Umfeld keine Rolle. Dann ist die Finanzierung das größte Problem«, sagt Persaud. Um in den Entwicklungsländern die Erneuerbaren schnell ausbauen zu können, muss daher der Zinssatz von 15 auf maximal vier Prozent gedrückt werden. Dazu soll der Internationale Währungsfonds (IWF) Sonderziehungsrechte (SDRs) im Wert von 660 Milliarden Dollar schöpfen. SDRs sind eine Art Währung, die vom IWF aus dem Nichts geschaffen wird, wie zuletzt im Jahr 2021, als der IWF an seine Mitgliedsländer SDRs im Wert von 660 Milliarden Dollar zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verteilte.

Die Klima-SDRs sollen einen Fonds kapitalisieren, der dadurch die bestmögliche Bonität hätte. Damit könnte der Fonds günstig Geld leihen und dieses günstig an die Entwickler von Solar- und Windparks weiterverleihen. Anschließend kann der Fonds die Schuldscheine als Sicherheit hinterlegen und sich noch mehr Geld besorgen. Auf diese Weise würde ein Teil der Ersparnisse der Welt für den Kampf gegen die Klimakrise mobilisiert. Persaud hofft, so 2,5 bis 5 Billionen Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren umlenken zu können. Schon beim Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank im April könnten die Mitgliedsländer den Auftrag erteilen, die Ausgabe von Klima-SDRs vorzubereiten.

Beim zweiten Element geht es um die Anpassung an die Klimaerwärmung, etwa durch den Bau von Deichen wegen des steigenden Meeresspiegels. Da diese Investitionen meist nicht gewinnbringend sind, ist es schwierig, privates Kapital zu mobilisieren. Doch es gibt einen sehr großen Topf an öffentlichem Geld, der nicht vollständig genutzt wird: das Kapital der Weltbank und der anderen Entwicklungsbanken. Eine Studie im Auftrag der G20-Staaten zeigt, dass diese deutlich mehr Kredite vergeben könnten, wenn sie ihr Kapital besser nutzen würden. Der Plan aus Barbados sieht nun vor, die G20-Empfehlungen umzusetzen und die so mobilisierten Mittel in Form zinsgünstiger Kredite an Entwicklungsländer zur Anpassung an den Klimawandel zu vergeben. Damit ließe sich eine weitere Billion Dollar investieren.

Trotz Emissionsminderung und Anpassung an die Erwärmung wird es aber weiterhin klimabedingte Verluste und Schäden geben. Um diese abzufedern, sieht die Initiative zwei Instrumente vor: Zum einen sollen die Kreditverträge von Staatsanleihen in Zukunft eine »Klimaklausel« bekommen. Wenn etwa ein Wirbelsturm einen Inselstaat verwüstet, dann wird die Fälligkeit der Staatsschulden automatisch um zwei Jahre in die Zukunft verschoben. Dadurch müssen Schulden nicht unter den ungünstigsten Bedingungen refinanziert werden. Zum anderen soll ein Fonds geschaffen werden, in den die Produzenten von fossilen Energien wie die großen Ölgesellschaften in Form einer Steuer einzahlen. Mit diesem Geld der Verursacher der Klimakrise könne dann der Wiederaufbau in Ländern finanziert werden, die von einem besonders verheerenden Ereignis getroffen wurden. Die Weltschifffahrtsorganisation hat bereits einen ähnlichen Fonds für Unglücke von Öltankern.

Die Bridgetown-Initiative wäre also durchaus machbar, wenn sich genügend Unterstützer finden. In Barbados ist man optimistisch: Die G20-Staaten wollen die Weltbank reformieren. IWF-Chefin Kristalina Georgieva zeigt sich offen für die Ideen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will zusammen mit Premierministerin Mia Mottley im Juni 2023 eine internationale Konferenz zu den SDRs einberufen. Auch EU-Kommissar Frans Timmermans sei ein »großer Unterstützer«, sagt Ökonom Persaud. Zumindest denkbar wäre unter diesen Vorzeichen selbst eine Unterstützung aus den USA, dem größten Aktionär der Weltbank und des IWF. Dort müsste nämlich das konservativ dominierte Parlament zustimmen.

Unabhängig von der Frage, ob oder in welchen Teilen die Bridgetown-Initiative umgesetzt werden wird – die Klimafinanzierung scheint langsam in die richtige Dimension vorzurücken: in die Billionen.

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