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Arm in einer reichen Stadt

Peter F. ist einer von 67 700 Senioren in München, die mit wenig Geld auskommen müssen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Arm in einer reichen Stadt – der 71-jährige Peter F. bemerkt seine Armut vor allem angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise.
Arm in einer reichen Stadt – der 71-jährige Peter F. bemerkt seine Armut vor allem angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise.

In München nimmt die Altersarmut zu. Waren 2017 noch 15 000 Menschen auf die sogenannte Grundsicherung im Alter angewiesen, sind es heute bereits 17 000. Insgesamt sind laut Armutsbericht, der kürzlich dem Stadtrat vorgestellt wurde, 67 700 Münchner über 65 Jahre von Armut betroffen. Einer von ihnen ist Peter F. »Ich merke das brutal«, sagt der 71-Jährige. Er meint damit die derzeitigen drastischen Preiserhöhungen bei den Lebensmitteln.

Peter F. hat keine Scheu, über seine Lage zu sprechen. Seinen ganzen Namen will er aber trotzdem nicht in der Zeitung lesen. Ihm gehe es ja noch vergleichsweise gut, sagt er. Von der Kleidung her sehe man ihm die Armut nicht an. Nur wenn er krank ist oder wenn am Monatsende kein Geld mehr da ist, fühlt er sich schlecht.

650 Euro kostet seine Einzimmerwohnung in einem Altbau im Westen der Stadt, inklusive Nebenkosten. Die Miete wird vom Sozialamt bezahlt. Peter F. bezieht die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe für Senioren. Viele Bücher hat er auf seinen 33 Quadratmetern im Erdgeschoss versammelt. Da stehen ein Bett, ein Tisch und ein Herd. Das Haus in einem angesagten Viertel der bayerischen Landeshauptstadt ist längst luxussaniert. Oben zahle man für eine 160-Quadratmeter-Wohnung schon mal 6500 Euro, erzählt Peter F. Die Nachbarn wissen, dass er arm ist. »Die sind hochnäsig«, sagt er. Einmal hat er im Müll die Lohnabrechnung einer Nachbarin gefunden, mit 8000 Euro Bruttoverdienst im Monat.

Peter F. dagegen muss mit rund 500 Euro auskommen. 450 Euro davon kommen aus seiner Rente, die restlichen 50 Euro sind Geschenke oder Zuschüsse von verschiedenen Institutionen. Zum Beispiel von der Stiftung Lichtblick Seniorenhilfe. Als sein Rasierapparat kaputt ging, habe er bei der Seniorenhilfe einen neuen beantragt, erzählt er. Für die Anschaffung bekam er von dort 100 Euro. »Aber sie wollen eine Kopie der Rechnung«, dort werde genau abgerechnet. Auch bei den Alten- und Servicezentren der Stadt gibt es Zuschüsse. Zum Beispiel 60 Euro für die jährliche Zahnreinigung. Oder seinen Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft im Mieterverein. Manchmal, wie zu Weihnachten, gibt es dort auch mal 100 Euro extra, ohne dass man die Verwendung nachweisen muss.

Peter F. kocht für sich selbst, für den kostenlosen Mittagstisch in den Altenzentren ist er nicht berechtigt. Einmal die Woche isst er Fleisch. Doch seit die Preise für die Lebensmittel durch die Decke gegangen sind, reißt das Einkaufen immer größere Löcher in sein monatliches Budget. Er ist zudem auf spezielle Hygieneartikel angewiesen, auch deren Preise sind gestiegen. Und nein, zur Tafel gehe er nicht: »Dort muss man in einer langen Schlange anstehen, das machen meine Füße nicht mehr mit.« Einmal hat man ihm geraten, sich hinzusetzen. »Auf den kalten Stein, im Winter!«, erinnert er sich, noch immer empört. Zudem sei das dort verteilte Essen nicht gut: »Man bekommt oft Schrott, Kartoffeln, die sich nicht mehr verkaufen lassen. Man sollte die Tafeln abschaffen und den Leuten Gutscheine für den Einkauf geben«, fordert F.

Wer ist schuld an seiner Armut? »Ich bin im Wesentlichen schon selber schuld«, sagt der 71-Jährige. Aufgewachsen ist er in einer Stadt im Ruhrgebiet. Der Vater arbeitete als Kranführer bei Krupp. Die Mutter hatte einen kleinen Lebensmittelladen. Er begann eine Ausbildung zum Steuerbeamten, mittlerer Dienst: »Das war entsetzlich langweilig, die jungen Kollegen haben sich schon ihre Rente ausgerechnet.« Er quittierte den Dienst und geriet in Kreise, in denen viel Alkohol und Haschisch konsumiert wurde. Später begann er in Konstanz ein Studium der Germanistik und Politikwissenschaft, machte aber keinen Abschluss. Lernen, studieren, lesen ist sein Lebensmotto. Längere Zeit verbrachte er auf Alkoholentzug. Er kam nach München, arbeitete in einer christlichen Buchhandlung und hatte verschiedene andere Jobs. Als er mit 61 Jahren in Rente ging, war er zuvor länger arbeitslos gewesen.

Peter F. ist belesen, politisch interessiert. An erster Stelle kommt bei ihm das Essen, danach kommen gleich die Bücher. Anders als viele andere arme Menschen geht er noch wählen: »Unbedingt, man muss was gegen die Rechten tun.« Er hat einen kritischen Blick: »Mein Vater hat sich kaputtgearbeitet«, erzählt er. Dass manche nur von ihrem ererbten Vermögen leben können, findet er nicht richtig. Er ist deshalb für höhere Erbschafts- und Vermögensteuern.

Durch Arbeit kann er sein Einkommen kaum noch aufbessern. Das geht gesundheitlich nicht mehr. Im Sozialbürgerhaus haben sie ihm einmal 300 Euro für Medikamente gegeben. Das sollte dann für seine restlichen Jahre reichen. Mit 65 Jahren hat er seinem Leben noch einmal eine Wendung gegeben: »Ich beschloss, ungläubig zu werden.« Seitdem hat er mit Weihnachten nicht mehr viel am Hut: »Ich bleibe einfach zu Hause und
koche mir was.«

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