Masterplan für Wiederaufbau

Nach katastrophaler Megaflut wirbt Pakistan bei UN-Konferenz um neuartige internationale Unterstützung

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Zerstörungen im nordwestpakistanischen Distrikt Swat im September 2022
Zerstörungen im nordwestpakistanischen Distrikt Swat im September 2022

Wochenlang hat sich Pakistan im vergangenen Jahr in den globalen Nachrichten gehalten. Die dramatischen Bilder der Überschwemmungen, bei denen zeitweise ein Drittel der Gesamtfläche des südasiatischen Landes unter Wasser stand, gingen um die Welt. 33 Millionen Einwohner waren betroffen, rund acht Millionen wurden obdachlos. 1700 Menschen kamen durch die Fluten ums Leben, ein Drittel davon waren Kinder. Trotz des Rückzugs der Wassermassen kämpft Pakistan noch immer mit den Folgen. Es geht um 94 unterschiedlich stark betroffene Distrikte in den vier Provinzen Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh.

Diesen Montag will Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif bei einer Konferenz am Sitz der Vereinten Nationen in Genf gemeinsam mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres einen Masterplan mit dem Titel 4RF vorstellen. Die Abkürzung steht für »Resilient Recovery, Rehabilitation and Reconstruction Framework« (belastbarer Wiederherstellungs-, Rehabilitations- und Wiederaufbaurahmen). Der Regierung in Islamabad geht es nicht allein darum, in der Katastrophe Zerstörtes zu ersetzen. Der Wiederaufbau soll damit einhergehen, sich besser für solche Gefahren zu wappnen, die in Zukunft öfter auftreten könnten. Schließlich gehöre Pakistan zu den zehn Ländern, die am stärksten unter dem menschengemachten Klimawandel zu leiden haben, heißt es im Vorwort von 4RF. Das immerhin 150 Seiten starke Dokument ist unter Federführung des Ministeriums für Planung, Entwicklung und besondere Initiativen erarbeitet worden. Staatliche Institutionen aller Ebenen, aber auch Gruppen der Zivilgesellschaft steuerten vor allem bei einem Online-Austausch Anfang Dezember ihren Input aus lokaler Sicht bei.

Das Autorenteam und die politische Spitze Pakistans wollen die Zusammenstellung nicht als starre Vorgabe verstanden wissen, sondern als flexible Grundlage, die stetig angepasst und ergänzt werden soll. Unterschieden wird in der Auflistung der Kernaufgaben nach kurzfristigen Zielen, die innerhalb eines Jahres umzusetzen sind, mittelfristigen, die innerhalb von drei Jahren bewerkstelligt werden sollen, und längerfristigen, für die fünf bis sieben Jahre nötig seien. Der finanzielle Umfang des Maßnahmenpaketes beläuft sich dabei laut dem Papier auf 16,26 Milliarden US-Dollar. Davon werden 6,7 Milliarden bereits für die kurzfristigen Maßnahmen benötigt. Es geht also um Summen, die das schon länger finanziell klamme Pakistan niemals allein aufbringen kann.

In einem der Kernpunkte geht es um die Stärkung von Verwaltungsstrukturen und der Qualität ihrer Dienste, um gerade für die Ärmsten Hilfe wirksam zu leisten. So sind im Katastrophengebiet für die betroffenen Menschen Möglichkeiten zur Einkommensgenerierung wiederherzustellen oder neue zu schaffen. Und neben dem parallel notwendigen Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur wird als vierter Aspekt Wert auf soziale Inklusion und Partizipation gelegt. Das ist in einem traditionell stark paternalistisch ausgerichteten Staatswesen ein neuer Zungenschlag und eine hohe Messlatte, wenn diese schönen Worte auf geduldigem Papier tatsächlich Realität werden sollen. Auch die politischen und administrativen Reformen, die eine bessere Koordination der unterschiedlichen Ebenen gewährleisten sollen, sind ein enormer Anspruch.

Zu den konkreten Aufgaben gehört das Erstellen eines nationalen Hochwasserschutzplans. Die auf vielen Kilometern zerstörten oder stark beschädigten Highways und Bahnstrecken sollen beim Wiederaufbau so rekonstruiert werden, dass sie zukünftigen Fluten standhalten oder weniger gefährdet sind. 13,5 Milliarden Dollar über einen Investitionszeitraum von zehn Jahren sind dafür veranschlagt.

Dabei geht es nicht nur um den Wiederaufbau von Straßen. 780 000 Wohnhäuser wurden komplett zerstört, weitere über 1,2 Millionen teils schwer beschädigt, so die düstere Bestandsaufnahme. Über 800 000 Nutztiere starben in den Fluten, fast 1,8 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche sind zumindest vorläufig unbrauchbar. Die Schätzungen besagen, dass die Zahl der derzeit sieben Millionen Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, sich demnächst auf 14,6 Millionen verdoppeln könnte. Beim Infrastruktur-Wiederaufbau geht es darüber hinaus auch um zerstörte beziehungsweise beschädigte Krankenhäuser und Schulen. Makroökonomisch stellt sich die Aufgabe, das Abrutschen von 5,8 bis 9 Millionen Menschen in Armut zu verhindern. Für die Hälfte der insgesamt knapp 16,3 Milliarden Dollar setzt Pakistan auf internationale Finanzhilfen.

Der Masterplan erinnert daran, dass den Megafluten, ausgelöst durch Rekord-Regenfälle im Monsun zwischen Ende Juni und August, eine länger anhaltende Hitzewelle vorangegangen war. Durch den Klimawandel, der das Land auch durch Abschmelzen von Gletschern im Himalaya sowie den Meeresspiegelanstieg hart trifft, seien Rekordhitze mit Dürren wie massive Überflutungen künftig kein »Jahrhundertereignis« mehr, sondern könnten öfter auftreten.

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