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Springer-Chef Döpfner: Die Perfidie wird bleiben
Leo Fischer mutmaßt über die Zukunft des Springer-Chefs Döpfner nach dessen neuen Entgleisungen
Der legendär schlechte Ruf der »Bild«-Zeitung und des Springer-Verlags im Allgemeinen hat in den vergangenen Jahren etwas gelitten. Noch bis in die Zehnerjahre hinein war »ironisch Bild-Zeitung lesen« ein Hobby vieler, manche Ex-Linke wurden sogar ironisch Springer-Redakteur. Die rasante Entwicklung der Do-it-yourself-Hetze im Internet einerseits und eines rechtsradikalen alternativen Medienkomplex andererseits ließ manchen die Perfidie der »Bild« vergessen. Dass sich der Konzern zu einem der größten Medienunternehmen Europas entwickelte, mit zahllosen, auch weniger sichtbaren Möglichkeiten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, wurde vielerorts angesichts der abschmierenden Verkaufszahlen der »Bild« übersehen.
Doch Springer macht weiterhin erfolgreich Politik – sei es gegen die Corona-Maßnahmen, sei es gegen Klimaschutz. Und meistens erfolgreich. Die E-Mails aus der Feder des Springer-Chefs Mathias Döpfner, die die »Zeit« jetzt veröffentlicht, zeigen, wie unbesorgt, ja enthemmt der Milliardär und gescheiterte Musikkritiker Döpfner sein Imperium als politisches Machtinstrument einsetzte. Die Ostdeutschen nennt er »eklig«, heißt sie »entweder Kommunisten oder Faschisten«; er beschwört die »Bild«-Chefredaktion, Christian Lindner zu stärken, auf dass die FDP die Ampel platzen lassen möge, und redet persönlich auf den Porsche-Minister ein, Stimmen bei der AfD zu holen. Er will den Klimawandel nicht stoppen, weil »Zivilisationsphasen der Wärme« angeblich »immer erfolgreicher« waren »als solche der Kälte«. Er will Barack Obama den Friedensnobelpreis aberkennen und ihn Donald Trump zusprechen; er nennt Angela Merkel einen »Sargnagel der Demokratie«, weil die sich gegen einen Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD aussprach. Er stellt sich noch schützend vor Julian Reichelt, als die Missbrauchsvorwürfe gegen den Bild-Chefredakteur schon längst nicht mehr vom Tisch zu wischen sind.
Es sind irrlichternde, agrammatische Botschaften zwischen Youtube-Kommentar, Rotweindunst und Pulverdampf. Schon vor einer Weile konnte man einen unangenehm intimen Blick in Döpfners Hirnkastl nehmen, als er 2019 das Attentat von Halle kommentierte. In einem wirren Manifest forderte er unter der Überschrift »Nie wieder ›nie wieder‹« als Konsequenz aus dem Attentat eine weitere Brutalisierung der Geflüchtetenpolitik, ein Ende der Political Correctness und personelle Konsequenzen beim Hamburger SV. Die dahinterstehende Logik musste man sich selbst zusammenreimen, ich habe es damals versucht: Political Correctness, Geflüchtete und Diversität führten zwangsläufig zu mehr Rechtsradikalen, die dann Attentate begehen; deswegen muss man genau das tun, was diese Rechtsradikalen wollen, denn sonst tun sie, was sie wollen.
Schon damals zeigte sich, dass es mit dem promovierten Musikwissenschaftler, über den sich seit gut 20 Jahren hartnäckig das Gerücht hält, er könne frei über Chopin improvisieren, intellektuell nicht mehr allzu weit her war. Rücktrittsforderungen aus den Presseverbänden, denen Döpfner vorstand, verliefen im Sande. Es erschienen halbherzige Entgegnungen in den eigenen Blättern, im Stile von »Papa war schon wieder betrunken«. Es zeigte sich, dass zwischen den Milliardär und sein Zielpublikum kein Blatt Papier passte, ja, dass der Chef des größten Propagandaunternehmens so viele Lügen geschluckt hatte, dass er selbst sie zu glauben begonnen hatte. Wie immer werden Klügere, Leisere den Schaden wiedergutmachen, das Unternehmen »neu aufstellen«; das Zeitalter freidrehender Patriarchen ist auch bei Springer vorbei. Die Perfidie allerdings, die wird bleiben.
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