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Die stolzen Adler von Benfica Lissabon in San Sebastian
Zirkus Europa: Portugals Rekordmeister wandelt in der Champions League zwischen den Extremen
Am Mittwoch geht es nach Spanien. Da werden Erinnerungen wach. Sie wogen zwischen den Extremen, wie so oft bei Benfica Lissabon. Vor zwei Wochen gab es gegen Real Sociedad im dritten Vorrundenspiel der Champions League die dritte Niederlage, und wenn am Mittwoch beim erneuten Renkontre der beiden Klubs im Baskenland in San Sebastian kein Sieg folgt, ist die europäische Saison für Portugals Rekordmeister auch schon gelaufen.
Es stand schon mal besser um den Klub. Zum Beispiel in der vergangenen Saison, als der deutsche Trainer Roger Schmidt seine Mannschaft bis ins Viertelfinale führte. Ein bisschen länger liegen die Zeiten zurück, als die Champions League noch Europapokal der Landesmeister hieß und Benfica zu den ganz großen Attraktionen zählte. Europas Fußball wurde damals im Südwesten regiert. Bei den ersten fünf Ausspielungen 1955 bis 1960 triumphierte Real Madrid. In den beiden Jahren darauf ging der Henkelpott an Benfica, jeweils nach Finalsiegen über spanische Mannschaften; es waren nicht die schlechtesten, nämlich der FC Barcelona und Real Madrid. Nie schwebte der Adler, Benficas Wappentier, so stolz über Lissabon wie in den frühen 60er Jahren.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
In der Retrospektive wird diese Ära gern auf die Tore des aus Mosambik akquirierten Jahrhunderttalents Eusébio reduziert. Oder auf den Trainer Bela Guttmann, der Benfica zu beiden Europapokalsiegen führte und nach seinem Abschied im Streit jenen Fluch aussprach, nach dem Benfica in den nächsten 100 Jahren keinen europäischen Titel gewinnen werde. Aber erstens waren Guttmanns Erfolge nach dem Abschied aus Portugal bescheiden, was nicht zwangsläufig für sein Genie spricht. Und zweitens war Eusébio, den sie ehrfürchtig »Pantera negra« nannten, schwarzen Panther, sicherlich eine überragende Persönlichkeit. Aber ganz allein hat er die Europapokale für Benfica keineswegs gewonnen, konnte er auch nicht. Beim ersten Triumph war er für internationale Spiele noch gesperrt.
Der Star jener Mannschaft, die am 31. Mai 1961 im Berner Wankdorfstadion den hoch favorisierten FC Barcelona 3:2 besiegte, hieß José Aguas. Ein athletischer Mittelstürmer, sein Spitzname war »O Cabecinha d’Oiro«, das Goldköpfchen. Auch Aguas wurde in einer portugiesischen Überseeprovinz groß, aber seine afrikanische Vergangenheit als Angestellter eines Autohauses in Angolas Hauptstadt Luanda unterschied sich doch sehr von der des in den Slums von Lourenço Marques aufgewachsenen Eusébio. Auf dem Weg ins Finale schoss Aguas zehn Tore und gegen Barça ein elftes dazu. Als es ein Jahr später im Endspiel Amsterdams gegen Real Madrid ging, war Aguas schon 31, elf Jahre älter als sein Nebenmann Eusébio. Real lag nach zwei Toren von Ferenc Puskás 2:0 vorn, aber danach spielte nur noch Benfica. Aguas schoss das erste Tor; am Ende traf Eusébio zweimal und war davon so überwältigt, dass er gleich nach dem 5:3-Sieg von einem Nervenzusammenbruch niedergestreckt wurde.
Es war dies der Vorbote einer nicht ganz so glanzvollen Zukunft. So, wie es der scheidende Trainer Guttmann beschworen hatte, verlor Benfica seitdem alle europäischen Finals, immerhin zehn. Aguas ließ seine Karriere in Wien ausklingen. Eusébio spielte bis 1975 für Benfica und diente dem Klub bis zu seinem Tod vor zehn Jahren als Maskottchen. Seine überlebensgroße Statue steht heute am Eingang des Estadio da Luz. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht vor dem überlebenswichtigen Spiel in der Gruppe D am Mittwoch gegen San Sebastian.
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