NRW: Mehr als jede zweite Abschiebung verhindert

Nordrhein-Westfalen veröffentlicht Statistik zu Rückführungen für das Jahr 2023

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr als jede zweite Abschiebung in Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 2023 nicht vollzogen worden. Nach Angaben des Flüchtlingsministeriums in Düsseldorf wurden dadurch 3967 Menschen nicht abgeschoben. Demnach waren »lediglich« 3663 Rückführungen aus Behördensicht erfolgreich. Dennoch rühmt sich die schwarz-grüne Landesregierung mit den Abschiebungen und spricht von einem »Erfolg« im Bundesvergleich. Etwa 23 Prozent der bundesweiten Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen entfiel 2023 auf das bevölkerungsreichste Bundesland.

»Abschiebungen werden aus ganz unterschiedlichen Gründen abgebrochen oder storniert. Ein gar nicht so seltener Grund sind erfolgreiche Anträge vor Gericht«, sagt Sebastian Rose von der Initiative »Abschiebungsreporting NRW« mit Sitz in Köln gegenüber »nd.Der Tag«.

In den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres wurden laut Rose bundesweit Abschiebungen von 47 Menschen auf dem Luftweg durch Gerichte quasi in letzter Minute noch gestoppt, als die zuständigen Behörden die Betroffenen bereits an die Bundespolizei an den Flughäfen übergeben hatten. Rose: »Im Kreis Wesel betraf dies im April 2023 etwa ein tamilisches Folteropfer, dessen Abschiebung ein Gericht vorläufig untersagte. Im Rheinisch-Bergischen Kreis konnte eine Anwältin im Januar 2023 die Abschiebung eines suizidgefährdeten Mannes nach Bangladesch noch vor Gericht vorläufig stoppen.«

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Hintergrund für die vielen »Stornierungen« ist vor allem der schlechte Gesundheitszustand der Betroffenen. Rückführungsmaßnahmen können laut Ministerium aber auch wegen des Nichtantreffens oder des Untertauchens der ausreisepflichtigen Person scheitern. »Als wesentliches Hindernis bleibt in vielen Fällen die fehlende Kooperationsbereitschaft von Herkunftsländern bei der Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen«, hieß es vom Ministerium auf dpa-Anfrage. Der Bund sei hier gefordert, mit »relevanten Zielstaaten« stabile Rahmenbedingungen gerade in den wichtigen Bereichen Passersatzbeschaffung und Flugabschiebung zu erreichen.

Interessant: Die Behörden dürfen seit einigen Jahren den Betroffenen den Abschiebetermin nicht nennen. Das heißt, sie treffen viele Menschen gar nicht an, weil »diese bei der Arbeit sind, ihre Kinder zur Schule bringen oder bei einer Freundin übernachten«, erklärt Rose. Dies alles fließt auch in die Abbruch-Statistik ein. »Die Behörden schaffen sich so auch selbst ihre Statistik, die dann politisch instrumentalisiert wird.«

Die rechtsextreme AfD im Landtag hatte nach den gescheiterten Abschiebungen gefragt und die entsprechende Zahl bekommen. Dass die Deutsche Presse-Agentur mittlerweile Antworten auf Kleine Anfragen der AfD im Landtag NRW reproduziere, hält Rose für bedauerlich. »Denn die Fragestellenden sind nicht an der Sache und den Menschen interessiert.« Dabei sollte man viel mehr über die Erfolge der Bleiberechtsreform von Ende 2022 sprechen, statt über traumatisierende Abschiebungen und Abschiebeversuche, die scheitern. In NRW hätten seither rund 16 000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis nach dem neuen »Chancen-Aufenthaltsrecht« erhalten. »Das ist für viele neue Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben nach Jahren der Ausgrenzung und Benachteiligung, auch wenn dieses Bleiberecht zunächst nur für 18 Monate gilt.«

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