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Der Balkan – eine geostrategische Investition

Die EU dehnt sich gen Osten aus und beschließt Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina – zum eigenen Nutzen

Die EU hat auf ihrem Gipfeltreffen diese Woche in Brüssel den Start von Beitrittsverhandlungen mit dem Balkanland Bosnien-Herzegowina beschlossen. Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter): »Das europäische Friedensprojekt wächst – ein klares Zeichen für ein starkes Europa.« Die Erweiterung der EU ist Teil der Strategie, die Union zu vergrößern und dadurch geopolitische Vorteile zu erzielen.

»Die Erweiterung ist eine geostrategische Investition, die das politische und wirtschaftliche Gewicht der EU auf der Weltbühne erhöht«, erklärte Maroš Šefčovič, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal und zuständig für interinstitutionelle Beziehungen. Sie festige die Demokratie auf dem gesamten Kontinent und stärke die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts, zum Beispiel durch die Verringerung kritischer Abhängigkeiten.

Die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs zu Bosnien-Herzegowina erfolgte auf Empfehlung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie hatte bereits vor einigen Monaten darauf gedrungen, die EU müsse sich »ihrer historischen Aufgabe« stellen, die Union zu vollenden. »In einer Welt, in der einige versuchen, sich andere Länder nach und nach unter den Nagel zu reißen, können wir es uns nicht leisten, unsere europäischen Freunde im Stich zu lassen«, sagte sie mit Blick auf Russland und Chinas Aktivitäten in den Balkanstaaten. »In einer Welt, in der Größe und Gewicht zählen, liegt es ganz klar im strategischen Interesse Europas, die Union zu vollenden«, so von der Leyen.

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Bosnien-Herzegowina hatte die EU grundsätzlich bereits 2003 einen Beitritt in Aussicht gestellt, 2016 reichte es offiziell einen Antrag ein. Die Aufnahme in den Kreis der Beitrittskandidaten erfolgte dann 2022 nach der russischen Invasion der Ukraine. Bis zur EU-Mitgliedschaft ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die erste sogenannte Beitrittskonferenz soll erst organisiert werden, wenn das Land bislang nicht erfüllte Reformauflagen umgesetzt hat. Dabei geht es unter anderem um die Rechtsstaatlichkeit in dem Land und den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. »Um die Chancen dieser geopolitischen Investition in vollem Umfang nutzen zu können, müssen sowohl die EU als auch die künftigen Mitgliedstaaten gut vorbereitet sein«, sagte Šefčovič am Donnerstag.

Europas ökonomischer Hinterhof

Von den sechs Westbalkanstaaten ist nun nur noch die Republik Kosovo kein Beitrittskandidat. Ökonomisch gehört die gesamte Region allerdings bereits de facto zur EU. Der Westbalkan »weist klassische Merkmale peripherer kapitalistischer Ökonomien auf«, schreibt der Osteuropa-Experte Felix Jaitner in einer Publikation für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. »Die industrielle Wertschöpfung ist gering und wird vom Auslandskapital insbesondere aus der EU dominiert.« Im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 seien insgesamt 45 Milliarden Euro an ausländischen Direktinvestitionen in die Region geflossen. Unter den zehn größten Investoren seien nur Russland (vierter Platz) und die Türkei (achter Platz) nicht aus der EU. Die ökonomische Abhängigkeit des Westbalkans verdeutliche auch ein Blick auf den Außenhandel: Im Jahr 2021 entfielen rund 60 Prozent auf die EU, eine Ausnahme bildeten lediglich Montenegro und das Kosovo.

Zum Projekt der EU-Erweiterung gehören auch Pläne, die Ukraine in die Union aufzunehmen, was als »Beschleuniger für ein geopolitisches Europa« dienen könne, so die Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Die EU habe eine neue Osterweiterung zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen, an dem die europäische und internationale Ordnung an ihre Grenzen stoße, so das CEPS. Es liege auf der Hand, dass der Beitritt der Ukraine die Politik und das internationale Gewicht der EU erheblich verändern werde. Die Größe und das geopolitische Gewicht der EU würden erheblich zunehmen. »Wie jeder andere Mitgliedstaat wird auch die Ukraine ihre außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten, Ressourcen und Anliegen in die EU einbringen und damit das Gleichgewicht und die Prioritäten der EU verschieben«, schreibt das CEPS. »Die Kriegserfahrungen der Ukraine, ihre Bedrohungswahrnehmung, ihre kampferprobte Armee und ihre schnell wachsende Verteidigungsindustrie werden einen echten Unterschied ausmachen.« Mit dpa

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