Die Linke: Konstruktiv in Templin

Strategietreffen von Linke-Vorstand und Spitze der Bundestagsfraktion mit Landessprechern

Martin Schirdewan, Janine Wissler, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann (von links) demonstrieren Einigkeit in der Linkspartei.
Martin Schirdewan, Janine Wissler, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann (von links) demonstrieren Einigkeit in der Linkspartei.

Die beiden Vorsitzenden der Gruppe Die Linke im Bundestag, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann, hatten unmittelbar nach ihrer knappen Wahl im Februar eine Charme-Offensive in die Partei hinein angekündigt. Tatsächlich traten sie schnell mit den Landesvorständen und der Bundesspitze in Austausch. Auch die Bundesvorsitzenden der Partei, Janine Wissler und Martin Schirdewan, sind bemüht, Einigkeit zu demonstrieren. Am Sonntag kamen Partei- und Gruppenspitze nun im brandenburgischen Templin mit vielen Landesvorsitzenden zu einer Strategieberatung zusammen.

Dringend nötig sind Verständigung, Geschlossenheit nach außen und solidarische Debattenkultur nach innen zweifellos. Denn die Umfragewerte der Partei sind weiter desaströs. In Sachsen liegt sie unter fünf Prozent, in Brandenburg noch etwas darüber. Auf der Tagung ging es um Organisation und Mobilisierung der Partei in den anstehenden Wahlkämpfen und um inhaltliche Schwerpunktsetzungen.

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Den meisten Aktiven der Linken dürfte klar sein, dass es nur mittelfristig gelingen wird, aus dem Tief herauszukommen. Allein, weil sie insbesondere im Osten seit langem unter Mitgliederschwund leidet. Es wird ihr daher schwer fallen, in den anstehenden Landtags-Wahlkämpfen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg wie auch bei den Kommunalwahlen und der Europawahl am 9. Juni.

In einem Positionspapier, das Wissler, Schirdewan, Reichinnek und Pellmann am Samstag auf der Debattenseite der Partei veröffentlicht haben, versuchen die Vier es mit einer strikten Fokussierung auf die sozialpolitischen Forderungen und Vorschläge der Partei. Im Mittelpunkt: die Forderung nach Erhalt und Ausbau des »demokratisch verfassten Sozialstaats«, der ein »ein gutes Leben für alle sichern« soll und »nicht die Kapitalanhäufung für Wenige«. Deshalb sei Die Linke »die Partei für die Mehrheit der Gesellschaft« – die allerdings das Problem hat, dass sie als solche nicht wahrgenommen wird.

Am Sonntagnachmittag berichteten Parteichef Schirdewan, die Bundestagsabgeordnete und Ko-Vorsitzende der Linken in Nordrhein-Westfalen Kathrin Vogler sowie Brandenburgs Landes- und Fraktionschef Sebastian Walther von den Beratungen. Die seien konstruktiv und ergiebig gewesen.

Die drei kündigten an, dass die Themen Nahverkehr und Gesundheitswesen in den Mittelpunkt eine wesentliche Rolle insbesondere in den Landtagswahlkämpfen spielen sollen. Den Tagungsort hatten sie diesbezüglich gezielt gewählt, denn in Templin stellt Die Linke seit 14 Jahren mit Detlef Tabbert den Bürgermeister. Der Nahverkehr ist in der 16 000-Einwohner-Stadt für die Bewohner seit 25 Jahren kostenlos, der Geltungsbereich wurde unter Tabbert auf das Umland ausgeweitet.

Zudem versuchte die Verwaltung hier mit Hilfe eines Modellprojekts, die Trennung zwischen ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung aufzubrechen. Was von Landespolitik bis Fachpresse zur Nachahmung empfohlen wurde, musste allerdings aufgrund des Endes der Förderung vorerst wieder eingestellt werden.

Für Sebastian Walther, Spitzenkandidat zur Landtagswahl, sind die Templiner Vorstöße Referenzprojekte für die Partei, die hier habe zeigen können, dass »Sachen wie kostenfreier ÖPNV und Erhalt von Klinikstandorten möglich sind«. Walther ist überzeugt: »Die Linke ist nur stark, wenn wir eine Alltagsrelevanz haben.«

Gerade in Sachen Gesundheitswesen fielen die vorsichtigen Formulierungen auf. Walther betonte, man müsse schauen, was im ländlichen Raum real machbar sei. Vogler kritisierte, das Gsundheitswesen sei in den letzten Jahrzehnten »nach den Kriterien von Markt und Profit umgebaut«. Gebraucht würden wieder »mehr Gemeinwohl und ein Zurückdrängen privater Investitionen«.

Sie stellte in Templin beschlossene gesundheitspolitische Forderungen der Partei vor, zu denen die nach Einführung einer »solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung« gehört. Diese könne für gerechten Zugang aller zu den gleichen Leistungen sorgen und dafür, »dass die allermeisten Menschen geringere Beiträge zahlen und einige höhere«.

Indes hat eine vom Brandenburger Linke-Landesverband in Auftrag gegebene Umfrage gezeigt, dass auch in in der Mark die Leute aktuell kaum an landespolitischen Themen interessiert sind, sondern vor allem auf die Bundespolitik schauen, der sich ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellen. Und dass sie stark auf das vermeintliche Hauptproblem Migration fixiert sind.

Vor diesem Hintergrund fällt es auf, dass im erwähnten Positionspapier der Umgang mit Rassismus einerseits und mit den realen Schwierigkeiten bei der Integration Geflüchteter als Themen ausgespart sind. Die grundlegenden Positionen scheinen lediglich in Sätzen durch wie »Wir zeigen klare Kante gegen Rechts. Wir treten nicht nach unten, sondern fordern die Reichen zur Kasse.« Es könnte sein, dass Die Linke mit der Fokussierung auf Sozialpolitik Diskussionen dazu zumindest in den Landtagswahlkämpfen umschiffen möchte. Das könnte man auch mit Blick auf den kurzen, sehr allgemein formulierten friedenspolitischen Absatz im Papier vermuten.

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