• Berlin
  • Ausstellung »Freie Welt«

Als die Soldaten nach Russland heimkehrten

Ausstellung zum Abzug der vormals sowjetischen Truppen aus Brandenburg vor 30 Jahren

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

»Freie Welt« hieß früher eine Illustrierte in der DDR, die sich mit den Entwicklungen in den sozialistischen Staaten auseinandersetzte. »Freie Welt« nannte und nennt der Westen sich selbst in Abgrenzung zu seinen Gegnern überall sonst. »Freie Welt« heißt auch eine neue Ausstellung von Sven Johne im Potsdamer Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte, die sich dem Abzug der sowjetischen Truppen widmet, der vor 30 Jahren abgeschlossen war. 1994 allerdings hatte die Sowjetunion schon aufgehört zu existieren. Es waren mittlerweile die Truppen Russlands und anderer Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Allzu viel zu sehen ist auf den ersten Blick dabei nicht, und wer eine üppige Schau von Exponaten hinter Vitrinenglas erwartet, der kommt nicht auf seine Kosten. Im Zentrum steht der Kurzfilm »Das sowjetische Hauptquartier«, gedreht im Haus der Offiziere von Wünsdorf: Eine Investorin aus Dortmund wird von einem Makler durch dieses verfallende Gebäude geführt, das er ihr aufschwatzen will. Mit wenig nachvollziehbaren Floskeln (»Baden-Baden des Ostens«) möchte er das bewerkstelligen.

Erst allmählich erfährt der Zuschauer durch die innere Stimme der Frau, dass sie nur vermeintlich am Kauf interessiert ist, vielmehr eine Kindheitserinnerung auffrischen will. Denn sie kennt dieses Haus noch als Kulturzentrum. Als Achtjährige war sie hier regelmäßig zu Gast. In der Zeit des Rückzugs der »Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte« aus Ostdeutschland war sie das einzige deutsche Kind einer Freizeitgruppe, die hier von russischen Erziehern betreut wurde. Der Zuschauer erfährt, dass sich die Frau hier geborgen fühlte in einer Zeit, in der sich ihre Eltern als Versicherungsvertreter durchzuschlagen versuchten.

Zur Ausstellung »Freie Welt«, die von Katalin Krasznahorkai kuratiert worden ist, gehört auch die 25-teilige Fotoserie »Heilpflanzen im Todesstreifen«. Sie entstand auf einer 1400 Kilometer langen Wanderung Sven Johnes mit Kindern und Freunden entlang der einstigen innerdeutschen Grenze. Das grüne Band, das sich durch Deutschland zieht, ist inzwischen Heimstatt von Wildblumen und Kräutern.

Näher am Thema des sowjetischen Erbes in Ostdeutschland ist der Ausstellungsteil im sogenannten Archiv der Leute. Zu sehen ist das Mischpult eines Techno-Klubs, der eine von sowjetischen Soldaten verlassene Immobilie nutzen konnte – bis neue Investoren ihm das Feld streitig machten. Ein Karate-Kimono erzählt von Kontakten in einem Karate-Klub: Die einen sprachen nicht genug Deutsch, die anderen nur wenig Russisch. Man verständigte sich dennoch, denn die Fachsprache beim Karate ist Japanisch.

In vielen brandenburgischen Städten waren die Russen die – zumeist unbekannten – Nachbarn. Fast die Hälfte aller ihrer rund 1000 Liegenschaften lag im heutigen Brandenburg. Da für den Truppenabzug vier Jahre veranschlagt waren, musste im Schnitt etwa jeden Tag eine Immobilie abgegeben werden. In der ständigen Ausstellung ist auch etwas über die »verbotene Stadt« zu erfahren, die schon ein Militärstandort war, bevor die sowjetischen Truppen nach Wünsdorf kamen und dort ihr Hauptquartier in der DDR einrichteten.

Der Truppenabzug bis 1994 betraf, die Familien der Offiziere eingerechnet, weit mehr als 500 000 Menschen. In Brandenburg befanden sich Liegenschaften von Kasernen bis zu Truppenübungsplätzen wie denen in der Döberitzer und der Kyritz-Ruppiner Heide, die heute Naturreservat sind. Deutschland verpflichtete sich, die Gräber im zweiten Weltkrieg gefallener Soldaten zu pflegen.

Das Land Brandenburg wollte aus der »verbotenen Stadt« in Wünsdorf eine Beamtenstadt machen. Das gelang nur in Ansätzen. Eine »Bücherstadt« quartierte sich ein, die Wohnbebauung nahm langsam zu. Weil aber in den vergangenen Jahren viele Berliner ins Umland gezogen sind, ist der Ausbau von Wünsdorf zu einer Schlafstadt für Pendler wahrscheinlich.

Ausstellung »Freie Welt«, bis 3. November 2024, Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, Potsdam.

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