Preußen-Haus: Mehr Schall als Rauch

In Potsdam soll das Museum der brandenburgisch-preußischen Geschichte umbenannt werden

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Nachdem dem Museum für deutsche Geschichte unter den Linden in Berlin nach 1990 die sperrige Nachwendebezeichnung Deutsches Historisches Museum verpasst worden war, empfanden viele Ostdeutsche dies nicht gerade als eine Verbesserung. Ein in sich ruhender, praktisch idealer Name wurde in einen fragwürdigen verwandelt. Denn welches Geschichtsmuseum widmet sich nicht historischen Fragen? Und weil es in der Stadtmitte nur deutsche Museen gibt und die Neubezeichnung das Deutsche so betont: Erwartet man an dieser Stelle im Zentrum Berlins etwa ein koreanisches Museum? Zumal ja das ehemalige Zeughaus der Preußenkönige auch nach der Wende ein Museum für deutsche Geschichte geblieben ist und das bis auf den heutigen Tag.

Die Umbenennung eines Geschichtsmuseums steht nun auch in Potsdam an. Es geht um das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG). Die »Märkische Allgemeine« meldete dieses Vorhaben, über das Anfang Februar auf der Jahreskonferenz des Museums informiert werden soll. Die interne Begründung: Die überkommene Bezeichnung sei zu lang und »nicht mehr zeitgemäß«.

Das HBPG befindet sich am Neuen Markt 9 im alten Kutschstall von 1789, einem Überrest des historischen Stadtschlossensembles. Als das Gemäuer zum Museum umfunktioniert wurde, roch es im Gebälk noch nach Pferden. 2003 wurde das Museum eröffnet. Bis ins Jahr 2017 hinein kam insgesamt eine Million Besucher in eine der 75 Ausstellungen und 1000 Veranstaltungen. Der Start war noch geprägt von der Ära des 2002 abgetretenen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Dem war es mit seinem notorischen Preußenfimmel gelungen, dem 1990 aus mehreren DDR-Bezirken gebildeten Land Brandenburg eine Identität zu verpassen. Dabei hatte er den verhängnisvollen Militarismus, den berüchtigten Kadavergehorsam in seiner Betrachtung beiseitegeschoben und versucht, positive Seiten, etwa Kulturleistungen wie die Trockenlegung des Oderbruchs und die relative religiöse Toleranz, in den Fokus zu rücken.

2018 schloss das Museum für umfangreiche Umbaumaßnahmen, die 3,4 Millionen Euro kosten sollten. Unter anderem wurde das Haus an die neuesten Standards der Barrierefreiheit angepasst, wie Direktor Kurt Winkler vorher erläutert hatte. 2020 erfolgte die Wiedereröffnung mit einer neuen Dauerausstellung im Erdgeschoss.

Bevor das HBPG eröffnet worden war, hatte der 2019 verstorbene Ministerpräsident Stolpe im Landtag versichert, der Betrieb des Museums werde den Steuerzahler keinen Pfennig kosten. Es kam anders. Auf 1,9 Millionen Euro jährlich beliefen sich die Zuschüsse vor dem Umbau von 2018 und sollten dann auf 2,8 Millionen angehoben werden. Schon zwei Jahrzehnte lang gibt das Land Brandenburg Geld dazu. Die Stadt Potsdam steuert 25 Prozent der Summe bei, wobei sie es gern sähe, wenn das Land ihren Anteil übernähme.

Das Museum und die Arbeit seiner Mitarbeiter erhalten derweil beständig gute Kritiken und das Haus erfreut sich einer großen Beliebtheit bei den Einwohnern Potsdams und ihren Besuchern. »Ein toller Ort«, lobt Grünen-Landtagsfraktionschefin Petra Budke, die von Beruf Lehrerin ist. Sie wünsche sich, so sagt sie, dass jeder Schüler des Bundeslandes zumindest einmal dort gewesen wäre, weil es eine gute Gelegenheit sei, sich mit der Geschichte kritisch auseinanderzusetzen. Das Angebot dazu nennt Budke »sehr gut.«

Die mögliche Umbenennung steht im Kontext von Überlegungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen neuen Namen zu verpassen. Die Stiftung, die unter anderem für die Berliner Museumsinsel zuständig ist, solle einen »attraktiveren, zukunftsgewandten Namen« erhalten, hatte Roth angekündigt.

Es sei hier daran erinnert, dass Preußen, das nach der Reichsgründung von 1871 als Staat innerhalb des Deutschen Reiches weiter existierte, am 25. Februar 1947 vom Alliierten Kontrollrat der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs aufgelöst wurde. Zur Begründung hieß es, Preußen sei »seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland« gewesen.

Doch in der Bundesregierung will die FDP die Umbenennung der Stiftung verhindern. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erklärte dazu in »Bild«, dass es erstaunlich kurz gedacht sei, wenn man glaube, mit einer bloßen Namensänderung deutsche Geschichte umschreiben zu können.

Ob die Pläne für das HBPG mit der alle paar Jahre aufflammenden Diskussion um die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu tun haben, weiß Grünen-Landtagsfraktionschefin Budke nicht, aber sie hält es für möglich.

»Der Name ist in der Tat zu lang«, schaltet sich Linksfraktionschef Sebastian Walter in die Debatte über das HBPG ein. Er zeigt sich offen für einen neuen Namensvorschlag, »wenn er gut begründet ist«. Man könne für eine Namensänderung eintreten, wenn die »Aufmerksamkeit für das Museum dadurch zunehmen« könnte. Es sollte aber der Verdacht ausgeräumt werden, dass hier Geschichtsrevisionismus betrieben werden soll. »Ich würde begrüßen, wenn es bei einer kritischen Betrachtung bleibt«, sagt Walter.

Kein Freund der Umbenennung ist CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Er halte die jetzige Bezeichnung des Hauses für richtig. »Die preußische Geschichte ist Teil der brandenburgischen. Sie sind eng miteinander verwoben.« Man dürfe nicht den Fehler begehen, Geschichte ausradieren zu wollen. Stattdessen sollte es bei ihrer kritischen Betrachtung bleiben. So entstehe die Grundlage dafür, zeitgemäße Lehren aus der Geschichte zu ziehen.

Noch offen ist derweil, wie das Museum künftig eigentlich heißen soll. Erste Hinweise darauf will die Museumsleitung bei ihrer Jahrespressekonferenz am 2. Februar geben.

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