Palästina-Camp: Streit nach Protesträumung an der FU Berlin

Dozenten kritisieren polizeiliches Vorgehen bei propalästinensischem Protestcamp

Polizeibeamte nehmen bei dem Protestcamp an der FU am Dienstag einen Demonstranten mit.
Polizeibeamte nehmen bei dem Protestcamp an der FU am Dienstag einen Demonstranten mit.

Mit einem offenen Brief kritisieren Dozenten Berliner Universitäten die Räumung eines Protestcamps von propalästinensischen Demonstranten an der FU. »Unabhängig davon, ob wir mit den Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest«, heißt es in dem Schreiben. Die Dozenten kritisieren, dass sich die FU-Leitung nicht genügend um einen Dialog bemüht hatte. In Zukunft, fordern die Dozenten, solle die Hochschulleitung von Polizeieinsätzen auf dem Campus absehen.

Etwa 150 zumeist junge Demonstranten hatten am Dienstag Zelte im Innenhof der Rost- und Silberlaube, dem Hauptgebäude der FU in Dahlem, aufgeschlagen. Anschließend sollen Demonstranten versucht haben, umliegende Hörsäle zu besetzen. Videoaufnahmen zeigen, dass dabei von Einzelpersonen mit Parolen auch eine neue Intifada in Palästina gefordert wurde.

Die FU verbot die Veranstaltung im Anschluss mit Verweis auf ihr Hausrecht und verständigte die Polizei. »Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung – aber nicht auf diese Weise«, sagte FU-Präsident Günter M. Ziegler laut einer Pressemitteilung. Im Anschluss wurden die Demonstranten bis in die Abendstunden nach und nach geräumt. Dabei soll es zu Auseinandersetzungen gekommen sein, bei denen auch Pfefferspray zum Einsatz kam. Die Besetzer selbst sprechen wiederum von Polizeigewalt. Insgesamt wurden 79 Personen festgenommen und 150 Strafverfahren eröffnet. Vier Polizisten wurden nach eigenen Angaben verletzt, über die Zahl verletzter Demonstranten ist nichts bekannt.

Den offenen Brief, mit dem Dozenten gegen diese Räumung protestieren, haben etwa 100 Berliner Wissenschaftler unterzeichnet. Unter ihnen sind auch prominente Namen wie die Migrationswissenschaftlerin Naika Foroutan oder die Philosophin Rahel Jaeggi. Zudem haben sich mehrere Hundert Wissenschaftler anderer Universitäten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem internationalen Raum dem offenen Brief angeschlossen. Zu ihnen gehören auch kontroverse Persönlichkeiten wie der Historiker A. Dirk Moses, dem im sogenannten zweiten Historikerstreit von anderen Vertretern seiner Zunft Holocaust-Relativierung vorgeworfen wurde.

Der offene Brief löst kontroverse Reaktionen aus. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) kritisierte ihn scharf. »Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos«, sagte sie gegenüber der »Bild«-Zeitung. Sie warf den Unterzeichnern vor, Israelhass zu verharmlosen. »Gerade Lehrende müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen«, so die Ministerin. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte sich gegenüber dem Springer-Blatt kritisch: »Antisemitismus und Israelhass sind keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten.«

Differenzierter äußerte sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. »Gerade von Hochschuldozenten hätte ich erwartet, dass der Hass auf Israel und Juden bei dieser Veranstaltung zumindest klar benannt wird, wenn sich schon für diese Form des Protestes eingesetzt wird.«

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