Wolfsburgs DFB-Pokalsieg: Von Sorgenkindern zu Siegertypen

Lena Oberdorf und Jule Brand führen nach persönlich schwierigen Zeiten den VfL Wolfsburg zum Pokalsieg

  • Frank Hellmann, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Jule Brand (l.) und Lena Oberdorf sicherten sich mit dem Pokalsieg doch noch einen letzten gemeinsamen Wolfsburger Titel.
Jule Brand (l.) und Lena Oberdorf sicherten sich mit dem Pokalsieg doch noch einen letzten gemeinsamen Wolfsburger Titel.

Gehupe und Getöse mitten in Köln: Vornedran Lena Oberdorf, die neben der Sonnenbrille auch ein Bierglas trägt. Mittendrin Jule Brand, die über beide Backen grinst. Als Beleg der überbordenden Freude nach dem zehnten DFB-Pokalsieg stellte der VfL Wolfsburg jene Sequenz in den sozialen Medien ein, bei der die Fußballerinnen singend und tanzend für eine weitere Ehrenrunde aus dem Bus gestiegen waren.

Locker und gelöst zwei Nationalspielerinnen, die sich in den letzten Wochen und Monaten einem besonderen Druck ausgesetzt sahen. Frühere Sorgenkinder sind nun Siegertypen: Brand sorgte mit ihrem Aufsetzer zum 1:0 für den Türöffner beim Finale gegen den FC Bayern (2:0), Oberdorf prägte diese für sie ganz besondere Konstellation allein mit ihrer Präsenz.

Wie sich die kampfstarke Mittelfeldspielerin zur überragenden Protagonistin aufschwang, obwohl sie doch nächste Saison für die Gegnerinnen auflaufen wird, sei »Weltklasse« gewesen, betonte Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot, der auch behauptete: »Lena Oberdorf kann in jedem großen Verein der Welt spielen.« Tatsächlich schaffen es nur Topsportlerinnen, die Last der Verantwortung in solch eine Lust umzuwandeln. Da hat eine wirklich ihr »letztes Hemd« für ihren alten Verein gelassen, wie sie selbst hernach sagte. Bayern-Trainer Alexander Straus kann sich auf eine Ausnahmespielerin freuen, die im Finale »fantastisch« war, wie der ansonsten betroffene Norweger befand.

Erstmals berichtete Oberdorf, was zuletzt alles auf sie eingeprasselt war. Kaum hatte die jüngste deutsche WM-Spielerin aller Zeiten ihren Wechsel nach München verkündet, flog ihr eine Aussage in Anlehnung an einen Tote-Hosen-Klassiker um die Ohren: 2022 hatte auch sie behauptet, sie würde nicht zum FC Bayern gehen, schließlich habe sie als Schalke-Fan sogar zur Dortmunder Borussia gehalten, wenn deren Männer gegen die Bayern spielten.

Darauf bezogen sich viele gehässige Kommentare in den sozialen Medien. Die 22-Jährige verriet, sie sei auf eine »echt eklige Art und Weise« beschimpft worden. »Heute bin ich reif, gewachsen, würde so eine Aussage nicht wieder tätigen.« Der Fall demonstriert, wie der Umgang mit steigender Aufmerksamkeit und Ablösen rauer wird – da geht es den Frauen kaum mehr anders als den Männern.

Gerade die bodenständige Frohnatur aus Gevelsberg, deren Bruder Tim Oberdorf mit Fortuna Düsseldorf in die Bundesliga aufsteigen möchte, wirkte in Köln extrem erleichtert und will die letzten Bundesligaspiele bei Werder Bremen (Sonntag 18.30 Uhr) und gegen ihren Ausbildungsverein SGS Essen (20. Mai) in vollen Zügen genießen. Alles läuft auf ein harmonisches Ende ihrer insgesamt vier Jahre bei den Niedersächsinnen hinaus.

Auch die 2022 von der TSG Hoffenheim verpflichtete Brand galt beim Vizemeister zwischenzeitlich als Problemfall. War da eine vorschnell öffentlich zum »Golden Girl« hochgejazzt worden? »Es tut ihr richtig gut, solche Spiele mitzuentscheiden«, stellte Stroot nach dem Kölner Finale über Brand heraus. »Sie hat wahnsinnig viel investiert. Das ist der größte Unterschied zum vergangenen Jahr.«

Zur Erinnerung: Beim Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona (2:3) vor einem Jahr hatte der 35-Jährige seine Außenstürmerin nicht mal eingewechselt. Bei der WM 2023 gehörte Brand prompt zu einer der Schwächsten, die fast jeden Ball verlor. Im Verein fing sie sich bald öffentlich einen Rüffel von Sportdirektor Ralf Kellermann ein, der im Fachmagazin »Kicker« das nicht abgerufene Potenzial bemängelte: »Wenn Jule eine Top-Spielerin werden will, muss sie hart an sich arbeiten und zu 100 Prozent für den Fußball leben.«

Die Kopfwäsche hat anscheinend gewirkt: Seit einigen Wochen ist die 21-Jährige eine der stärksten Wolfsburgerinnen überhaupt. Auch wenn ihr gegen die Bayern im Pokalfinale nicht alles gelang, gab sie den tückischen Aufsetzer zum Führungstreffer ab. »Ich konnte es gar nicht glauben, es war ja nicht der schönste Schuss«, sagte sie. Für die besondere Motivation im Cup-Wettbewerb hatte die wieder mit einer gewissen Leichtigkeit spielende Angreiferin eine simple Erklärung: »Wir haben die Meisterschaft verkackt, deshalb wollten wir unbedingt den Pokal holen.«

Über die Leistungen der beiden Nationalspielerinnen hat sich auch Horst Hrubesch auf der Tribüne gefreut: Der Bundestrainer hatte beiden in der EM-Qualifikation ohnehin schon wieder Stammplätze zugewiesen. Nun untermauerten beide, dass sie trotz allem Auf und Ab fest in sein Olympiaaufgebot gehören und dann vielleicht gleich noch eine weitere Erfolgsgeschichte im Sommer dranhängen.

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