Gabriels genialer Schachzug

SPD-Chef will dem Parteikonvent ein Ja zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Union entlocken

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Geschickter Deal: SPD-Chef Gabriel will den Parteikonvent um grünes Licht für Sondierungsgespräche mit der Union bitten. Im Gegenzug soll die Basis später in einer Befragung entscheiden, ob sie mit den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen einverstanden ist.

Am gestrigen Nachmittag ging eine Eilmeldung über die Ticker: »Die SPD-Spitze will dem am Freitagabend tagenden Parteikonvent die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union vorschlagen«, so will es die Nachrichtenagentur AFP aus Parteikreisen erfahren haben. Somit war klar, dass sich die Parteispitze einem Bündnis mit der Union nicht verschließen will. Viel Diskussionsstoff also für den am Nachmittag tagenden SPD-Vorstand und den Konvent, der am Freitagabend in Berlin zusammenkam.

Der Konvent gehört nicht zur Folklore der SPD. Parteichef Sigmar Gabriel hatte ihn 2011 als höchstes Beschlussgremium zwischen den Parteitagen eingeführt. Die 200 Delegierten des Konvents werden von den Bezirken gewählt, hinzu kommen die 35 Vorstandsmitglieder. Alle sind stimmberechtigt, nicht jedoch die SPD-Ministerpräsidenten und Fraktionschefs. Die Zusammensetzung des Gremiums garantiert, dass die Basis auf den Treffen Gehör findet. Gerade dies macht das Anliegen der Parteiführung so schwierig, denn die Basis will Schwarz-Rot nicht und somit auch keine Sondierungsgespräche.

Deshalb musste sich Parteichef Sigmar Gabriel etwas einfallen lassen. Wie die »Süddeutsche Zeitung« meldete, wollte der Vorsitzende auf dem Konvent anregen, am Ende möglicher Verhandlungen mit der Union die 470 000 Mitglieder in einer Befragung um Zustimmung zu bitten. Im schlimmsten Fall würde die Basis die Koalitionsvereinbarungen ablehnen. Damit wäre das wochenlange Geschachere mit der Union um Mindestlöhne, Mietobergrenzen und die doppelte Staatsbürgerschaft umsonst gewesen.

Keine schönen Aussichten, finden Genossen wie SPD-Vorstandsmitglied Christoph Matschie. »Unsere Gremien und der Parteitag sind demokratisch gewählt und die richtigen, um das zu entscheiden«, so Matschie gegenüber »Zeit online«. Der Thüringer SPD-Chef regiert den Freistaat bereits seit 2009 mit der CDU. Auch der frühere Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel zeigte sich wenig begeistert: Die SPD könne durch ein Nein zu einer Großen Koalition »als Verweigerer erscheinen«, betonte Vogel gegenüber dem SWR. Ohnehin ist fraglich, ob es die Verhandlungsposition der SPD-Delegation stärken würde, wenn alles, was sie der Union abringt, unter Vorbehalt der eigenen Basis stünde.

Aber bevor die führenden Genossen sondieren dürfen, müsste der Konvent grünes Licht für erste Gespräche geben. Angesichts des Widerstands gegen Schwarz-Rot in den Bezirken ist ein Plazet keinesfalls ausgemacht. Gabriels Vorschlag einer nachgelagerten Mitgliederbefragung erscheint deshalb ziemlich pfiffig. Den Delegierten des Konvents dürfte es leichter fallen, Gesprächen mit der Union zuzustimmen, wenn die dabei erzielten Ergebnisse von der Basis abgesegnet werden müssten. So ließe sich ein Ja zur Aufnahme von Verhandlungen zu Hause im Bezirk leichter rechtfertigen.

Wenn die SPD der Union in den Verhandlungen wichtige Zugeständnisse abringen kann und diese Erfolge entsprechend verkauft, würde sich die Basis vielleicht nicht querstellen. Zumal die SPD-Wähler weniger Probleme mit einer Großen Koalition haben als die Partei. Laut ZDF-»Politbarometer« würden 64 Prozent der SPD-Anhänger Schwarz-Rot befürworten.

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